Technik & Materialien

Wie kommt der Spiegel in die Christbaumkugel?

Fotograf in der Christbaumkugel

Schau genau – nicht der Mann im Mond, sondern der Fotograf in der Christbaumkugel. Bild: Flittergreeze/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Traditionelle Christbaumkugeln bestehen aus einer dünnen Glasschicht, die innen von einer hauchdünnen Silberschicht überzogen ist. Diese Silberschicht ist auch bekannt als „Silberspiegel“.

Leicht, zerbrechlich und mit einem tiefen Glanz: So präsentieren sich die klassischen Christbaumkugeln, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hergestellt werden. Sie bestehen aus hauchdünnem Glas und sind noch heute sehr beliebt.

Bei der Herstellung der traditionellen Dekorationen läuft vieles ab wie vor 100 Jahren. Besonders edle Stücke werden zum grössten Teil in Handarbeit gefertigt, angefangen bei der Glasbläserei über die Verspiegelung bis zum Bemalen der fertigen Kugel.

Echtes Silber am Christbaum

Verspiegelung? Ja, denn eine Christbaumkugel ist eigentlich ein kugelförmiger Spiegel, der aussen zusätzlich mit farbigem Lack und anderen Verzierungen dekoriert ist. Die glänzende Schicht befindet sich aber im Inneren der Glaskugel, und was dort so silbern glänzt, ist tatsächlich ein hauchdünner „Silberspiegel“ aus echtem Silber.

Der Trick mit dem Silbersalz

Wie aber kommt das Silber in die Christbaumkugel? Man behilft sich hier mit einer Reihe von chemischen Reaktionen, die das Silber erst in einer Flüssigkeit lösen und dann in der Glaskugel wieder zu einer festen Metallschicht werden lassen.

Das Silber, das die Innenseite der Kugel verspiegeln soll, wird also nicht als Metall eingesetzt, sondern als Silbernitrat. Silbernitrat ist ein Salz, in dem Silber- und Nitrat-Teilchen (in Form von elektrisch geladenen Ionen) in einem regelmässigen Kristallgitter zusammenliegen – ähnlich wie die Natrium- und Chlorid-Ionen in unserem Kochsalz. Genau wie Kochsalz löst sich Silbernitrat sehr gut in Wasser. Diese Lösung, in der nun zahlreiche Silber-Ionen herumschwimmen, kann leicht in die zukünftigen Christbaumkugeln gegossen werden.

Christbaumschmuck aus Glas wird auf traditionelle Weise versilbert. Bild: Krebs Glas Lauscha/Wikimedia, CC-Lizenz

Ein Spiegel wie von Zauberhand

Damit ist es aber noch nicht getan, denn die Silbernitrat-Lösung ist durchsichtig und keineswegs silbern. Man muss nun also die Silber-Ionen dazu bringen, sich an der Glaswand abzusetzen – und zwar in Form von glänzendem, metallischem Silber. Zu diesem Zweck fügt man der Lösung Traubenzucker (Glucose) und Ammoniak bei und erhitzt das Gemisch im Wasserbad. Ammoniak und Wärme ermöglichen, vereinfacht gesagt, dass die einzelnen Schritte der chemischen Reaktion überhaupt ablaufen können: Sie funktioniert nämlich nur in einer Lauge, also bei hohem, alkalischem pH-Wert, und nur bei hohen Temperaturen reagieren die Teilchen schnell genug miteinander. Der Ammoniak verhindert ausserdem, dass die Silberteilchen sich mit anderen Bestandteilen aus der Lösung einfach wieder zu einem festen, braunen Salz zusammenlagern.

Jedem Silber-Ion (chemisch Ag+) fehlt zum glänzenden, metallischen Zustand (Ag) nur ein einziges Elektron. Dieses Elektron soll sich das Silber von den Glucoseteilchen holen. Dass dies tatsächlich geschieht, erkennt man nach wenigen Minuten: Wie von Zauberhand überzieht sich das Glas der Christbaumkugel von innen mit einem Spiegel – nur wenige hundertstel Millimeter dick, aber wunderschön silberfarben.

Ein bisschen genauer: Die Chemie des Versilberns

Die zur Versilberung benötigte Lösung enthält Silber-Ionen, also Ag+-Ionen, die als Silber-Amin-Komplex in Lösung sind. Durch die Zugabe der Glucose-Lösung findet eine Redox-Reaktion statt, bei der die Glucose oxidiert wird und dabei die Silber-Ionen zu Silber reduziert. In der Formelsprache können die zwei Teile der Reaktion beschrieben werden als:

Oxidation: Glucose + H2O → Gluconsäure + 2H+ + 2e-
Reduktion: Ag+ + 2e- → 2 Ag

Es handelt sich hierbei um Gleichgewichtsreaktionen, die auch in die Gegenrichtung ablaufen, doch in alkalischer Lösung laufen die Reaktionen überwiegend ab wie gezeigt. Das Produkt der Oxidation entspricht formal der Gluconsäure, ist aber in Wirklichkeit ein Gemisch von verschiedenen organischen Verbindungen.

Chemie zum Anschauen

In der Chemie nennt man diesen Vorgang eine Redoxreaktion, und wie du wahrscheinlich ahnst, sind daran noch mehr kleine Teilchen (Ionen und Moleküle) beteiligt als die oben beschriebenen. Das Versilbern mit Silbernitrat ist ein schönes Beispiel für diesen Typ von Reaktion und wird oft in Schulversuchen vorgeführt. Vielleicht hast du ja einen Chemielehrer, der dieses Experiment mit euch im Praktikum macht? Leere Colaflaschen eignen sich beispielsweise sehr gut zum Versilbern …

Nur Achtung, falls du auf die Idee kommst, den Versuch zu Hause nachzumachen: Die verwendeten Chemikalien verlangen einige Vorsichtsmassnahmen und müssen unbedingt fachgerecht entsorgt werden!

Eine alte Technik

Übrigens: Mit dieser Technik wurden früher auch Haushaltspiegel gefertigt. Das erklärt, weshalb Spiegel so teuer waren und „gute“ Christbaumkugeln auch heute nicht billig sind: weil sie echtes Silber enthalten und viel Handarbeit in ihre Herstellung involviert ist. Jedoch gibt es heutzutage jede Menge preiswerte Weihnachtsdekoration, die mit anderen Verfahren hergestellt und beispielsweise mit Acrylfarben eingefärbt wird.

Erstellt: 05.01.2016
Mehr