Sterne & Weltraum

Das Mysterium der Sonne entschlüsseln

Plasmaströme auf der Sonne. Bild: SDO

Die Sonne und ihr Licht sind die Grundlagen für alles Leben auf der Erde. Eine Forschungsgruppe der FHNW will das Mysterium des faszinierenden Sterns lüften. Dafür entwickelt sie ein Röntgen-Teleskop, das bald näher an die Sonne fliegt als je ein Satellit zuvor.

Die Sonne ist ein feurig-heisses Gasgemisch; in ihrem Kern fusioniert bei Temperaturen von bis zu 15 Millionen Grad Celsius Wasserstoff zu Helium. Die dabei entstehende Energie wird in Form von Licht und Wärme weit ins Sonnensystem abgestrahlt. Alles Leben auf der Erde ist nur deshalb möglich, weil die Erdkugel genau so weit von der Sonne entfernt ist, dass Eis zu Wasser schmilzt und organisches Material nicht verbrennt. Unsere Sonne ist uns also grundsätzlich gut gesinnt. Doch manchmal bereiten uns ihre Launen auch Sorgen: Zum Beispiel wenn durch Explosionen in der Sonnen-Atmosphäre (Korona) gewaltige Wolken an geladenen Teilchen ins Weltall geschleudert werden, die schliesslich auch auf die Erde prasseln. Diese Ladungen bringen Satelliten, Telekommunikations- und Stromnetze durcheinander. Teils mit fatalen Folgen wie 1989, als Millionen von Menschen in der kanadischen Provinz Quebec während Stunden im Dunkeln sassen, weil das Stromnetz zusammengebrochen war. Wie es zu solchen Eruptionen kommt, wie die geladenen Teilchen auf die Erde gelangen und wie sich diese auf der Erde auswirken, damit befassen sich weltweit Astrophysiker und Ingenieure.

Ein Video zum obigen Bild findest du hier.

Forschung mit Standleitung ins Weltall

Satellit «Solar Orbiter»

Der Satellit «Solar Orbiter» will so nahe an die Sonne wie noch kein anderer Satellit zuvor. Mit dabei ist «STIX», ein Messgerät für Röntgenstrahlen aus der Schweiz. Illustration: ESA

Marina Battaglia ist Teil dieses globalen Netzwerks an Sonnenforschern. Sie ist Dozentin und Wissenschaftlerin am Institut für 4D-Technologien an der Hochschule für Technik der FHNW in Windisch. In ihrem Büro stehen keine spektakulären Fernrohre und Planetenmodelle, sondern lediglich Computer mit Zugang zu den Daten von aktuellen Sonnen-Weltraum-Missionen der NASA und ESA. Die entsprechenden Satelliten beobachten die Sonne und liefern Bilder sowie eine Reihe von Messungen; darunter die Strahlungsintensität bei unterschiedlichen Wellenlängen, die Ladung von emittierten Partikeln und die Stärke von dadurch verursachten Änderungen des Magnetfeldes der Sonne. Battaglia wertet diese Daten in ihrem Büro aus und stellt damit physikalische Theorien zur Erklärung der Sonnenaktivität auf die Probe. Doch je grösser die Distanz der Messinstrumente zur Sonne ist, desto mehr wird die Strahlung abgeschwächt und die Zusammensetzung geladener Teilchen entspricht nicht mehr derjenigen auf der Sonne. Deshalb wollen die Astrophysiker mit "Solar Orbiter", einem neuen Satelliten, der derzeit gebaut wird, noch näher an die Sonne ran. Eines von zehn Messgeräten, das im Satellit zur Sonne geschickt werden soll, wird derzeit an der FHNW entwickelt. Battaglias Forschungsgruppe unter der Leitung von Professor Säm Krucker dirigiert den Bau von "STIX", ein Spektrometer für die Messung und Analyse von Röntgenstrahlung.

Klein, leicht und hochstabil

Entwickelt und gebaut wird "STIX" in mehreren Labors des Instituts für Produkt- und Produktionsengineering (IPPE) der FHNW in Windisch. Professor Hans-Peter Gröbelbauer ist für die Konstruktion und mechanische Auslegung des Röntgenspektrometers sowie des Gehäuses verantwortlich, in welchem das Gerät einst in den Satelliten eingebaut wird. Die Anforderungen an weltraumtüchtige Maschinen sind hoch. Das Teleskop darf nicht länger als 75 Zentimeter sein und höchstens sieben Kilogramm wiegen – jedes zusätzliche Kilo würde die Mission um bis zu 30'000 Franken verteuern. In diesen Raum- und Gewichtsspezifikationen enthalten sind die Detektoren zur Messung der Röntgenstrahlung, die Kühlung, der Computer für die Steuerung und Datenverarbeitung sowie die Stromversorgung. Zusätzlich gilt das Gebot der Redundanz: Sämtliche Motoren und Regelungselemente müssen in zweifacher Ausführung eingebaut werden, als Sicherheit bei einem Ausfall. Eine weitere Herausforderung ist die Hitze: Das der Sonne zugewandte Schutzschild des Satelliten wird sich bis auf 500°C erhitzen. Die Instrumente müssen während dem Flug Temperaturunterschiede zwischen 60°C und -40°C aushalten. Weil die Detektoren von STIX am besten bei -25°C funktionieren, hat Gröbelbauer sie in eine 20-schichtige Wärmeisolationsfolie eingepackt.

"STIX" soll bis Ende des Jahres fertig werden. Danach baut die Firma Airbus in Grossbritannien das Teleskop zusammen mit neun anderen Instrumenten in den Satelliten ein. Der Raketenstart ist auf Juni 2017 in Cape Canaveral angesetzt. Bis "Solar Orbiter" aber auf seiner endgültigen Umlaufbahn ist, wird es drei Jahre dauern. Marina Battaglia wird also voraussichtlich erst 2020 erste Messungen von STIX auswerten können. Was erhofft sie sich von den ersten Bildern? "Im besten Fall sehen wir etwas, was wir überhaupt nicht erwartet haben", sagt sie begeistert.

Erstellt: 22.08.2014
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