Technik & Materialien

Das Ganze im Auge behalten

Die Aare

Der Thuner- und der Brienzersee sowie die drei Jurarandseen spielen für den Hochwasserschutz entlang der Aare eine wichtige Rolle. Wie hoch ihr Pegel ist, wird in der Leitstelle in Bern festgelegt. Bild: F. Frank 2010

Der Thuner- und der Brienzersee sowie die drei Jurarandseen spielen für den Hochwasserschutz entlang der Aare eine wichtige Rolle. Wie hoch ihr Pegel ist, wird in der Leitstelle in Bern festgelegt. Dabei müssen verschiedene Ansprüche berücksichtigt werden.

Die beiden Holzschleusen sind ein beliebtes Touristensujet in der Thuner Altstadt: Seit dem 18. Jahrhundert wird mit der Scherzlig- und der Mühleschleuse der Pegel des Thunersees kontrolliert. Auch wenn ihre Bauweise an altbewährte Technik erinnert: Gesteuert werden die beiden Anlagen heute mit modernster Technik. Wie viel Wasser die massiven Schleusentore im Thunersee zurückhalten, wird in der 30 Kilometer entfernten Leitstelle in Bern entschieden. Diese reguliert nicht nur die Schleusen am Thunersee, sondern bedient auch die Schleusen in Interlaken und Port, die sich am Ausfluss des Brienzer- und Bielersees befinden.

Klare Grenzwerte

«Von Bern aus regulieren wir insgesamt fünf Seen», erklärt Bernhard Wehren, der als Leiter Seeregulierung beim Amt für Wasser und Abfall für die Steuerung der Schleusen verantwortlich zeichnet. «Denn über die Schleuse in Port regulieren wir indirekt auch den Wasserstand im Neuenburger- und Murtensee.» (s. Kasten). Bei seiner Arbeit muss Wehren verschiedenen Ansprüchen gerecht werden, die sich teilweise widersprechen: Auf der einen Seite muss er sicherstellen, dass die Seen bei Hochwasser möglichst nicht über die Ufer treten. Wenn also die Wetterprognose starke Niederschläge im Einzugsgebiet der Seen ankündigt, ist es ratsam, den Pegel der Seen vorsorglich abzusenken, damit sie während der Regenereignisse möglichst viel Wasser aufnehmen können. «Die Seen spielen für den Hochwasserschutz eine wichtige Rolle, können sie doch Abflussspitzen auffangen und so Schäden verhindern.»

Von der Leitstelle in Bern aus wird der Wasserstand von fünf grossen Seen reguliert

Von der Leitstelle in Bern aus wird der Wasserstand von fünf grossen Seen reguliert. Bild: F. Frank 2010

Auf der anderen Seite muss Wehren auch darauf achten, dass er die Pegel nicht zu sehr absenkt. Denn bei einem zu tiefen Pegel können die Kursschiffe teilweise nicht mehr verkehren und auch für die ökologisch sensiblen Ufergebiete kann eine Absenkung problematisch werden. Und er darf, wenn beispielsweise am Thunersee ein Hochwasser droht, die Schleusen auch nicht soweit öffnen, dass die Aare in Bern über die Ufer tritt. «Es ist nicht immer einfach, diese verschiedenen Ziele unter einen Hut zu bringen», erklärt Wehren. «Deshalb wurde ein ausgeklügeltes Reglement erarbeitet, das einen Ausgleich der verschiedenen Interessen anstrebt. Dieses Reglement gibt uns klare Vorgaben, die wir bei der Steuerung der Schleusen berücksichtigen müssen.»

Im Alltag stützt sich die Leitstelle auf eine Fülle von verschiedenen Daten, damit die Schleusen optimal betrieben werden können: Sie wertet die aktuellen Niederschlagsdaten und die Wetterprognosen aus und überwacht laufend die Pegelstände und Abflussmengen in den verschiedenen Gewässern des Kantons. «Nicht zuletzt müssen wir auch das Wasser im Auge behalten, das in den Bergen als Schnee gespeichert ist», ergänzt Wehren. Wie wichtig dies ist, zeigte sich im Mai 1999: Als nach einem schneereichen Winter just zur Zeit der grössten Schneeschmelze starke Niederschläge fielen, traten an vielen Stellen die Gewässer über die Ufer – unter anderem auch der Thunersee.

Ein Umweg für die Aare

Es ist noch keine 150 Jahre her, da war das Berner Seeland eine sumpfige Gegend, die immer wieder von Überschwemmungen heimgesucht wurde. Dies änderte sich erst, als die Kantone Bern, Freiburg, Waadt, Neuenburg und Solothurn zwischen 1868 und 1878 die 1. Juragewässerkorrektion durchführten, die noch heute als Paradebeispiel der Ingenieurskunst gilt. Herzstück des Bauwerks war der neue Hagneckkanal, der seither die Aare von Aarberg in den Bielersee umleitet. Um das Wasser aus dem Bielersee abzuführen, wurde von Nidau ein neuer Kanal nach Büren gebaut. Dort fliesst die Aare heute wieder in ihr ursprüngliches Bett. Auch die Broye und die Zihl, die den Murten-, Neuenburger-, und Bielersee miteinander verbinden, wurden kanalisiert und ausgebaut.

Seither werden die drei Seen, deren Spiegel um 2,5 Meter abgesenkt wurde, als gemeinsames Rückhaltebecken genutzt, um Hochwasserspitzen aufzufangen. Zusätzlich wurden zahlreiche kleinere Kanäle gebaut, um das Grosse Moos, wie das Gebiet zwischen den drei Seen heisst, zu entsumpfen. Die Juragewässerkorrektion war ein grosser Erfolg, konnte sich das Seeland seither doch zu einer fruchtbaren Landwirtschaftszone entwickelten. Dennoch gab es immer wieder Überschwemmungen. Daher wurden die Kanäle zwischen den drei Seen sowie der Abfluss aus dem Bielersee in der 2. Juragewässerkorrektion zwischen 1962 und 1973 nochmals ausgebaut.

Eine weitere wichtige Energiequelle ist der Klärschlamm: Im Faulturm wird ein Teil des Klärschlamms in Biogas umgewandelt. Dieses Biogas kann verwendet werden, um in einem Blockheizkraftwerk erneuerbaren Strom zu produzieren und mit der Abwärme den Faulturm zu beheizen. Auch der restliche Klärschlamm lässt sich verwerten: Wird er in einer Kehrrichtverbrennungsanlage verbrannt, kann man mit der freigesetzten Energie Strom erzeugen und über die Fernwärmenetze ganze Quartiere beheizen. «Mit der heutigen Technik lässt sich eine Kläranlage praktisch ohne fremde Energie betreiben », erklärt Ernst A. Müller vom Verein Infrawatt. «Würde man dies bei allen Anlagen der Schweiz so machen, könnte man sehr viel wertvolle Energie einsparen.»

Bei der Juragewässerkorrektion wurden vier grosse Kanäle angelegt

Bei der Juragewässerkorrektion wurden vier grosse Kanäle angelegt: 1: Hagneckkanal, 2: Zihlkanal, 3: Broyekanal, 4: Nidau-Büren-Kanal.

Text: SATW /Felix Würsten

Quelle: Technoscope 1/12: Wasser.

Technoscope ist das Technikmagazin der SATW für Jugendliche

 

Erstellt: 25.01.2013

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