Zellen & Moleküle

Weihnachtsduft

Zimtsterne und Weihnachtsgewürze

Zimtsterne und Weihnachtsgewürze. Bild: CanStockPhoto

Magst du den Geruch nach Punsch, Orangen und frisch gebackenen Guetzli? Oder gehörst du zu denjenigen, die schon bei einer Spur von Zimt oder Anis im Essen das Gesicht verziehen und dankend ablehnen? Geruch und Geschmack lösen in uns ganz unmittelbare Empfindungen aus, und was dabei vorgeht, ist auch chemisch interessant.

Oft sind Düfte und Geschmäcker mit bestimmten Erinnerungen verknüpft – zum Beispiel mit den Zimtsternen auf dem weihnächtlichen Guetzliteller! Auch andere Gewürze, die in der Schweizer Küche ansonsten nicht so häufig sind, werden zu dieser Jahreszeit öfter verwendet: Anis (für Anis-Chräbeli) und natürlich die Gewürzmischungen für Lebkuchen oder Punsch mit Kardamom, Nelken, Ingwer und Muskat.

Typische Lebkuchen-Gewürze

Ein typisches Lebkuchengewürz enthält Piment, Zimt, Ingwer, Anis, Koriander, Kardamom, Muskat, Nelken und Fenchelsamen. Bild: SKopp/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Die meisten dieser Gewürze sind in Europa nicht heimisch und waren jahrhundertelang ein teures und begehrtes Handelsgut. Muskat und Nelken wuchsen ursprünglich nur auf einer kleinen indonesischen Inselgruppe, den Molukken. Auch viele andere Gewürze stammen aus den Tropen, wie Kardamom (aus Südindien und Sri Lanka) oder Piment (aus der Karibik). Zum Duft der Adventszeit gehört aber auch das Aroma von Zitrusfrüchten wie Orangen oder Mandarinen. Sie stammen aus China und werden heute weltweit in warmen Ländern angebaut.

Woher kommt der Duft?

Die Duftmoleküle, die von diesen Früchten und Gewürzen aufsteigen, stammen aus dem ätherischen Öl der Pflanzen. Ätherische Öle sind Gemische von verschiedenen organischen Flüssigkeiten; chemisch gehören viele zu den Alkoholen, Estern oder Terpenen. Diese Mischungen enthalten Duftstoffe. Ätherische Öle verdunsten an der Luft schnell, und ihre Duftstoffe verteilen sich im Raum. Den Pflanzen dienen ätherische Öle dazu, Insekten zur Bestäubung anzulocken, Schädlinge fernzuhalten oder sich vor Krankheiten zu schützen. Öle aus verschiedenen Pflanzenteilen können sich in ihrer chemischen Zusammensetzung sehr stark unterscheiden. So riecht zum Beispiel Orangenblütenöl anders als Orangenschalenöl.

Ätherische Öle

Schon gewusst? Gewürzpflanzen riechen nicht nur gut und geben Speisen oder Tee ihr Aroma; das ätherische Öl, das aus ihnen gewonnen wird, lässt sich zum Teil auch medizinisch verwenden. Weil ätherische Öle fettlöslich sind, können sie über die Haut und die Schleimhäute in den menschlichen Körper gelangen. Eukalyptusöl oder Menthol wird häufig in Salben verwendet. Diese Öle haben eine schleimlösende Wirkung und können bei einer Erkältung die Atemwege befreien. Ätherische Öle aus Fenchel, Kümmel oder Anis wirken gegen Magenprobleme. Salbeiöl tötet Bakterien ab und wird häufig
gegen Entzündungen im Mund- Rachenraum verwendet.

Kardamomblüte

Gewürzpflanzen kennen wir oft nur getrocknet oder gemahlen. Kardamom trägt aber auch wunderschöne Blüten. Bild: Reji Jacob/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Spiegelbildliche Moleküle

Aber nicht nur die Öle aus verschiedenen Pflanzenteilen können unterschiedlich riechen, auch dasselbe Molekül, also dasselbe Duft-Teilchen, kann ganz unterschiedliche Geruchsempfindungen bei uns auslösen. Oder ist es doch nicht dasselbe? Dazu muss man wissen, dass es in der Chemie Teilchen gibt, die aus denselben Atomen bestehen und genau gleich aussehen, wenn man sie flach auf ein Blatt Papier zeichnet. Doch wenn man sie dreidimensional anschaut, erkennt man, dass zum Beispiel bei einem der beiden Teilchen ein "Ast" nach vorne zeigt und beim anderen nach hinten. Sie sind Spiegelbilder und man kann sie drehen so lange man will – sie sind nie genau deckungsgleich. Solche Teilchen nennt man chiral, vom griechischen Wort für Hand (cheir). Denn auch deine Hände sind zwar grundsätzlich genau gleich aufgebaut, doch wenn du sie übereinander legst, bemerkst du den Unterschied sofort.

Kümmel oder Minze?

Ebenso gibt es chirale Duftstoffe. Meist ist es so, dass das eine Spiegelbild nicht oder kaum riecht, das andere jedoch stark. Das liegt daran, dass die Duftteilchen beim Einatmen auf die Nasenschleimhaut gelangen und dort von den Rezeptoren der Riechzellen aufgenommen werden. Es gibt etwa 350 verschiedene Rezeptortypen, und alle sind auf bestimmte Duftmoleküle spezialisiert. Doch auch gewisse Rezeptoren sind chiral und werden nur von Molekülen angeregt, die genau zu ihnen passen – andernfalls ist es, als ob du jemandem die rechte Hand geben möchtest und dir die linke entgegengestreckt wird: Der Händedruck funktioniert dann einfach nicht richtig. Genauso wird oft die spiegelbildliche Form eines Duftmoleküls von den Duftrezeptoren nicht erkannt. Es gibt jedoch auch chirale Moleküle, bei denen die beiden Formen von verschiedenen Rezeptoren erkannt werden. Ein Beispiel dafür ist Limonen, das es in den zwei Formen S-Limonen und R-Limonen gibt. R-Limonen kommt in den ätherischen Ölen von Dill, Kümmel und Koriander vor, insbesondere aber in Zitronen (ca. 65%) und Orangen (oft über 90%). Deshalb verbinden wir R-Limonen in Gedanken mit Orangenduft. Sein Spiegelbild S-Limonen hingegen hat zwar ebenfalls eine zitrusartige Note, riecht aber deutlich strenger und herber: Es kommt vor allem in den ätherischen Ölen von Nadelbäumen vor. Noch grösser ist der Unterschied beim Duftstoff Carvon. S-Carvon ist der Hauptbestandteil von Kümmelöl, du wirst also bei seinem Geruch spontan an Kümmel denken. R-Carvon hingegen, sein Spiegelbild, riecht nach Minze!

Natürlich besteht ein Duft aber normalerweise aus einer Mischung von vielen Molekülen, die an ganz verschiedene Rezeptoren andocken. Die Kombination der Signale, die von all diesen Rezeptoren ans Gehirn gesendet werden, ergibt dann den entsprechenden Sinneseindruck.

Erstellt: 25.11.2018
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