Körper & Gesundheit

Gluten, das Kleber-Protein

Hände kneten Hefeteig auf Tischplatte

Beim Kneten mit Flüssigkeit bildet sich aus Gluten das „Klebereiweiss“, das den Teig zusammenhält. Bild: stock.adobe.com - Pixel-Shot

Es verleiht dem Brotteig seine guten Backeigenschaften und ist die Basis von Fleischersatzprodukten, gilt aber auch als Verursacher von Verdauungsbeschwerden: Was genau ist eigentlich Gluten?

Den Begriff „Gluten“ haben wahrscheinlich die meisten schon einmal gehört. Auf vielen Lebensmittelpackungen findet man neben den Hinweisen, welche Nährstoffe das Produkt enthält und ob es vegetarisch ist, auch ein Symbol mit einer durchgestrichenen Ähre und der Unterschrift „glutenfrei“. Welche Bedeutung hat diese Deklaration? Und welche Lebensmittel enthalten eigentlich Gluten?

Speicherprotein der Weizenpflanze

Gluten ist ein Überbegriff für bestimmte Proteine, die in Getreide vorkommen, und zwar vor allem in Weizen. Alle Lebensmittel, die mit Weizenmehl hergestellt werden, enthalten also Gluten. Dazu gehört nicht nur Brot, sondern zum Beispiel auch Pasta und panierte Fertigprodukte. Für die Pflanze ist Gluten ein Nährstoffspeicher, den sie dem Samenkorn mitgibt. Für den Menschen, der Getreide seit rund 10’000 Jahren anbaut, hatte dieser Inhaltsstoff lange keine besondere Bedeutung. Getreide wurde zu Anfang hauptsächlich in Form von gekochtem Brei oder als Fladenbrot konsumiert. Es dauerte mehrere Tausend Jahre, bis luftiges Weizenbrot aus Hefeteig für viele Menschen erhältlich war!

„Kleber“ für den Teig

Genau solches Weizenbrot, das wir hier in jedem Laden finden, kann aber nur dank dem Gluten im Mehl hergestellt werden. In Verbindung mit Wasser bildet sich aus Gluten sogenanntes Klebereiweiss. Es macht den Teig beim Kneten elastisch und sorgt dafür, dass er schön aufgehen kann: Das Klebereiweiss hält die Gasblasen zusammen, die bei der Gärung entstehen, und bewirkt, dass das Brot sich beim Backen gleichmässig ausdehnt, ohne auseinanderzufallen. Daher wurde es für den Menschen in neuerer Zeit interessant, Getreidesorten mit hohem Gluten-Gehalt zu züchten. Heutige Weizensorten enthalten deutlich mehr Gluten als diejenigen, die noch vor 100 Jahren verwendet wurden. Neben Weizen und Dinkel enthalten auch Roggen, Hafer und Gerste Gluten-ähnliche Proteine, allerdings deutlich weniger. Hirse, Mais, Reis und Quinoa sind von Natur aus glutenfrei.

Getreidekörner, Teigwaren, Brot, Reiswaffeln

Lebensmittel aus glutenfreiem Getreide. Bild: stock.adobe.com - bit24

Zöliakie: eine chronische Darmentzündung

Nicht alle Menschen vertragen Gluten gleich gut. Etwa eine von 100 Personen leidet an Zöliakie: Das ist eine Glutenunverträglichkeit, die langfristige Folgen hat, denn sie ruft eine Autoimmunreaktion hervor. Bei Menschen mit Zöliakie können gewisse Bestandteile von Gluten (die Gliadine) in die Schleimhaut des Dünndarms eindringen, wo sie das Immunsystem aktivieren und eine chronische Entzündung auslösen. Die Darmoberfläche wird dadurch mit der Zeit zerstört, so dass die Betroffenen unter Verdauungsproblemen leiden. Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe werden nicht mehr richtig aufgenommen, so dass auch Erschöpfung, Eisenmangel und Knochenschmerzen zu den Symptomen zählen. Zöliakie lässt sich nicht heilen; die Darmentzündung lässt sich nur aufhalten, wenn konsequent auf glutenhaltige Lebensmittel verzichtet wird. Dazu gehören auch verarbeitete Produkte, denen Gluten in sehr kleinen Mengen beigemischt wurde – zum Beispiel als Bestandteil im Gewürz. Für Personen mit Zöliakie ist es deshalb sehr hilfreich, wenn sie sich an dem Glutenfrei-Symbol auf einer Verpackung orientieren können!

Es gibt auch Menschen, die empfindlich auf Weizenprodukte reagieren, ohne dass bei ihnen eine chronische Entzündung entsteht. Man vermutet, dass hier eine Glutenunverträglichkeit vorliegt: Eine Reaktion, die zwar keine bleibenden Schäden hervorruft, aber trotzdem unangenehme Symptome wie Blähungen, Durchfall oder Verstopfung auslösen kann. In diesen Fällen ist es vielleicht eine Idee, eine Zeit lang glutenhaltige Lebensmittel zu reduzieren und herauszufinden, ob eine solche Ernährungsumstellung gegen die Verdauungsprobleme hilft.

Auch in der Forschung und Pflanzenzüchtung ist der Glutengehalt von Weizen ein Thema. Mit modernen Verfahren können ganz gezielt Gene für bestimmte Gliadine ausgeschaltet werden. Das Mehl aus den so veränderten Weizenpflanzen enthält noch genug Gluten-Proteine, dass es sich gut zum Backen eignet, es löst aber im Darm keine so starke Immunreaktion mehr aus. Für Zöliakie-Betroffene ist dieses Mehl zwar nicht geeignet, aber man möchte die Erkenntnisse aus diesen Versuchen nutzen, um Weizensorten zu züchten, die allgemein besser verträglich sind.

Die Sache mit der Aussprache …

Und wie wird Gluten nun eigentlich ausgesprochen? Ist die Betonung auf der ersten oder auf der zweiten Silbe richtig? Wer Glūten sagt (mit langem, betonten u), hätte die alten Römer auf seiner Seite (so nannte man nämlich auf Lateinisch den „Kleber“). Die Aussprache Glutēn lehnt sich an die Aussprache anderer chemischer Stoffe an (wie das Spurenelement Selen oder das Gas Ethen). Im Deutschen sind beide Varianten üblich!

Seitan: Fleischersatz aus reinem Gluten

Seitan ist eines der Fleischersatzprodukte, die in den letzten Jahren auch hierzulande populär geworden sind. Es lässt sich zu Schnitzeln, Würstchen oder Geschnetzteltem formen, hat eine ähnliche Konsistenz wie Pouletfleisch und nimmt den Geschmack von Gewürzen und Saucen gut an.

Seitan hat seinen Ursprung in der japanischen und chinesischen Küche: Schon seit Hunderten von Jahren kennt man dort die Methode, Weizenmehl mit Wasser zu einem Teig anzurühren und so lange zu kneten und mit Wasser zu spülen, bis der grösste Teil der Stärke ausgewaschen ist und eine zähe Masse aus Weizeneiweiss (Gluten) zurückbleibt. Dieser Teig wurde und wird – ähnlich wie Tofu – für allerlei vegetarische Gerichte verwendet.

Hände schneiden ein Schnitzel auf Holzbrett
Erstellt: 03.04.2024
Mehr