Forschertagebücher

Mein Praktikum bei Nestlé

Christian Kaufmann. Bild: Riechsteiner Fotografie / SJf

Anlässlich des Schweizer Jugend forscht Wettbewerbs 2015 in Davos durfte ich den Sonderpreis der SimplyScience Stiftung entgegennehmen. Dieser ermöglichte es mir, eine sehr spannende Woche hinter den Kulissen von Nestlé zu verbringen. Dabei hat mir besonders die Vorstellung gefallen, dass ich nun die Möglichkeit habe, die Herstellung  und Entwicklung von Produkten zu sehen, die man aus dem Lebensmittelgeschäft kennt. Wer denkt, dass Nestlé nur dies macht, hat sich getäuscht.

Es warteten drei Tage im Nestlé Research Center (NRC) in Lausanne und zwei Tage im Nestlé Institute of Health Sciences (NIHS) an der EPFL auf mich.

Nestlé Research Center – eine kleine Uni

Gleich als ich ankam, war ich von der Grösse des Areals fasziniert. Nicola Galaffu empfing mich herzlich und gab mir gleich bestimmte Eckwerte an. So gehen z.B. täglich ungefähr 500 Forscher ein und aus. Diese arbeiten auf dem ganzen Campus in verschiedenen Forschergruppen zusammen, welche jeweils zu einem sehr spezifischen Thema forschen.

Später wurde mir der Zugang zu einigen dieser Forschergruppen ermöglicht. Doch zuerst wurde mir nach einer gründlichen Einführung in die geltenden Hygienevorschriften der Zutritt zum sogenannten „Pilot“ gewährt. Dort werden unter anderem neue Produkte oder neue Rezepturen alter Produkte in einem kleinen Massstab mit unterdimensionierten Fabrikmaschinen ausgetestet. Hier werden Abläufe entwickelt und verbessert, bevor das Produkt in die Grossproduktion geht. Dabei steht ein ganzer Maschinenpark zur Verfügung, angefangen mit Sublimatoren über Spray Dryer bis hin zu mini Pasteurisationsanlagen.

Am Nachmittag stellte mir Herr Galaffu seine Forschergruppe vor, welche zum Thema Mikronährstoffe Forschung betreibt. Mikronährstoffe sind z.B. Vitamine, Mineralstoffe oder Spurenelemente, welche essentiell für den Körper sind, und für einen reibungslosen Ablauf im Körper unverzichtbar sind. Als Beispiel sei das Eisen erwähnt, das von vielen Menschen nur in ungenügender Menge aufgenommen wird. Um diesem Problem entgegenzuwirken, sollen diese Mikronährstoffe in die Produkte beigefügt werden. Dabei ergeben sich diverse Schwierigkeiten, wie ich bei einem Experiment unschwer erkennen konnte. So hat sich die Bouillon mit Eisenzusatz schwarz verfärbt, was dem Konsumenten wahrscheinlich nicht sehr appetitlich erscheinen dürfte. Deshalb versuchte man das Eisen in einer anderen Form, wie z.B. verschiedenen Salzen, beizumengen, damit dieser Effekt nicht so stark ausfiel.

Am Dienstag ging es gleich spannend weiter. Laurent Forny und sein Team, welche zum Thema kristalline Substanzen forschten, weihten mich am Vormittag in einige Geheimnisse jener Stoffe ein. So zeigten sie mir in diversen anschaulichen Experimenten, wie sich z.B. Zucker und Salz (NaCl) zueinander verhalten z.B. in einer Bouillon bei einer erhöhten Aussentemperatur. Da man aus gesundheitlichen Gründen zunehmend den Fettgehalt in den Produkten senkt, entfernt man gleichzeitig die „Schutzschicht“, welche die beiden Stoffe auseinander hält. Es kommt zu unerwünschten Prozessen, die in Ostasien, wo es z.T. sehr heiss ist, dazu geführt hat, dass das Bouillonpulver zu regelrechten Bouillonsteinen verkommen ist. Man hat mir im Anschluss sehr interessante Lösungsvorschläge zu diesem Problem vorgestellt. Dazu gehörte die Hydratation.

Am Nachmittag ging es weiter mit Rheologie, d.h. mit der Wissenschaft, die sich mit dem Verformungs- und Fliessverhalten eines Stoffes befasst. Es wurde unter anderem aufgezeigt, warum ein stichfestes Joghurt, welches man umgerührt hat,  nicht mehr fest wird.

Der letzte Tag am NRC ...

Der letzte Tag am NRC stand ganz im Zeichen des Kaffees. Eines Vorweg: Selbstverständlich durften am Schluss noch Neukreationen ausprobiert und bewertet werden, jedoch gab es zuerst eine tolle Einführung in die Welt der Kleinstpartikel und Fasern inklusive schöner Aufnahmen mit dem Rasterelektronenmikroskop. Als Anwendungsbeispiel wurde mir eine Neuentwicklung vorgestellt, welche im Grunde aus Instantkaffee und sehr fein gemahlenen Kaffeebohnen besteht. Der gemahlene Kaffee soll den Instantkaffee geschmacklich aufwerten. Auch hier war man mit Problemen konfrontiert. Mahlt man die Kaffeebohnen zu grob, fühlt es sich an, als würde man Kaffeesatz trinken. Mahlt man ihn zu fein, wird der Geschmack von den Rezeptoren auf der Zunge nicht mehr wahrgenommen. Es gilt auch hier wieder an Lösungen zu tüfteln...

Nestlé Institute of Health Sciences (NIHS)

Es war Donnerstag und ich wechselte das Haus. Dieses neue Institut besteht erst seit wenigen Jahren. Die hier arbeitenden Forscher befassen sich vor allem mit der Erforschung von menschlichen Krankheiten, unter anderem mit der Sarkopenie und der Suche nach bioaktiven Substanzen (Screening).  Nach einem freundlichen Empfang durch Martine Cabo folgte sogleich eine erste Labortour. Ich konnte sehr viele verschiedene Geräte begutachten (einige davon kosten mehrere Millionen Franken!) und dabei wurden mir geduldig jeweils die Funktionsweise und der Einsatzbereich erläutert. Beim Screening wird z.B. Pfeffer in alle seine einzelnen Inhaltsstoffe geteilt und die einzelnen Substanzen isoliert. Diese werden wiederum an präparierten Zellkulturen ausgetestet. Dieser Prozess ist bereits stark automatisiert und ermöglicht es eine sehr grosse Anzahl an Stoffen in kurzer Zeit auszutesten.

Am Freitag durfte ich mich schliesslich noch selber im Labor versuchen. Es ging darum bei Zebrafischeiern eine vorbereite DNA einzufügen. Dies ist leichter gesagt als getan. Ein paar Mal ist mir die Mikrometer dünne Glasspitze gebrochen oder ich habe das Fischei förmlich zerlöchert und somit „getötet“. Nach einigen Versuchen habe ich es dann doch noch geschafft, wenigstens ein oder zwei geglückte Exemplare hervorzubringen. Im Anschluss folgten noch ausgedehnte Laborbesichtigungen der anderen Abteilungen am Institut. Nach einem kurzen Wrap-up mit dem Laborleiter Denis Barron, ging eine sehr spannende und vielseitige Woche für mich zu Ende.

Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals bei allen Beteiligten herzlich für das Ermöglichen dieser tollen Erfahrung bedanken. Es war ein einmaliger Einblick, der definitiv meinen Horizont erweitert und meinen Forscherdrang gefördert hat.

Quelle: Christian Kaufmann, Praktikant
Erstellt: 05.07.2016
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