Erde & Umwelt

Klimawandel, Lebensräume und der „Grolar Bear“

Hellbraun gefärbter Bär mit fast weisslichen Stellen am Kopf und Hals, aufgenommen in einem Gehege

Eine Grizzly-Eisbär-Hybride oder „Grolar Bear“, aufgenommen im Zoo Osnabrück. Bild: Corradox/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Die Auswirkungen des Klimawandels sind bereits heute eindrücklich dokumentiert: verschwindende Gletscher, steigende Meeresspiegel und langanhaltende Dürren. Das Verschwinden von Lebensräumen stellt für viele Tierarten eine grosse Herausforderung dar. Und was passiert, wenn sich aufgrund des Klimawandels plötzlich zwei Arten begegnen, die bisher voneinander getrennt gelebt haben?

Der Eisbär ist das grösste landlebende Raubtier unserer Erde und verbringt den Hauptteil seines Lebens auf dem Packeis nördlich des Polarkreises. Südlich ist sein Ausbreitungsgebiet auf die Höhe von Neufundland begrenzt. Der Grizzlybär hingegen ist ursprünglich in weiten Teilen Nordamerikas heimisch und heute vor allem in Alaska verbreitet.

Zwei Landkarten von Nordamerika; auf der ersten sind der nördliche Rand von Alaska und Kanada sowie die Inseln im Nordpolarmeer blau markiert, auf der zweiten sind Alaska sowie Nordkanada violett eingefärbt

Heutiges Verbreitungsgebiet des Eisbären (links) und des Grizzlybären (rechts, dunkelviolett) in Nordamerika. Bild: Wikipedia Commons 1 und 2, CC-Lizenz.

Der „Grolar Bear“: ein mögliches Resultat des Klimawandels

Durch die steigenden Temperaturen, insbesondere in Kanada und Alaska, wandern die Grizzlybären immer weiter in den Norden und damit in den Lebensraum der Eisbären. Zudem sind die Eisbären durch den Rückgang der arktischen Eismassen gezwungen, mehr Zeit an Land zu verbringen, was zu einer zunehmenden Überschneidung des Lebensraums von Grizzly- und Eisbären führt. Aufgrund ihrer genetischen Ähnlichkeit kann es zu Paarungen zwischen den beiden Spezies kommen – das Resultat ist der „Grolar Bear“, eine Hybridisierung zwischen Grizzlybär und Eisbär (englisch „polar bear“). Solche Bären haben typischerweise weisses bis hell-beiges Fell ähnlich wie die Eisbären, aber weisen auch Erkennungsmerkmale eines Grizzlybären auf, wie etwa lange Klauen und einen Höcker auf dem Rücken. Eisbär-Grizzlybär-Hybriden in der freien Wildbahn eindeutig zu identifizieren kann allerdings schwierig sein. Der erste offiziell bestätigte Nachweis eines wildlebenden Grolar Bears gelang 2006 im Kanada dank DNA-Analysen. In diesem Fall war die Mutter des Tiers ein Eisbär und der Vater ein Grizzlybär. Der Grolar Bear ist anders als viele anderen Hybriden fortpflanzungsfähig.

Was sind eigentlich „Hybriden“?

Hybriden sind die Nachkommen von Elterntieren oder -pflanzen, die zu unterschiedlichen, aber nahe verwandten Arten (Spezies) gehören. Häufig sind hybride Tiere selbst unfruchtbar. In der Wildnis kommt es gelegentlich zur Hybridisierung von Tierarten. Häufiger waren und sind aber Hybriden von Nutztieren, welche der Mensch züchtet, um besonders erwünschte Qualitäten und Eigenschaften von verschiedenen Spezies zu vereinen. Seit dem 19. Jahrhundert beispielsweise züchten Farmer das sogenannte „Beefalo“ – eine Kreuzung aus Hausrind und Bison, das besonders widerstandsfähig ist und fettarmes Fleisch hat.

Braunes Maultier mit Gepäck auf dem Rücken

Das Maultier, Nachkomme eines Eselhengstes und einer Pferdestute, wird vom Menschen seit Jahrtausenden gezüchtet und wegen seiner Ausdauer und Gutmütigkeit geschätzt. Bild: Wikipedia Commons

Ist der Schneehase vom Klimawandel bedroht?

Nicht nur Eisbären, sondern auch andere arktische und alpine Spezies wie der Schneehase sind vom Klimawandel bedroht – und das gleich doppelt: Einerseits geht immer mehr seines Lebensraums verloren, andrerseits hat der Schneehase mit der Anwesenheit des Feldhasen zu kämpfen. Wegen der steigenden Temperaturen wird der Schneehase gezwungen, Zuflucht in höher gelegenen – und damit kälteren – Gegenden zu suchen.

Aufmerksam aufgerichteter Schneehase im weissen Winterfell auf einem Geröllfeld

Der Lebensraum des kälteliebenden Schneehasen wird durch den Klimawandel kleiner, und immer mehr Feldhasen wandern in sein Verbreitungsgebiet ein. Bild: Michael Haferkamp/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Durch die Zunahme der Landwirtschaft und Bebauung ausserhalb des alpinen Gebietes wird aber auch der Feldhase von seinem natürlichen Lebensraum in Richtung des Schneehasenlebensraums gezwungen. So kommt es zu einer grösseren geografischen Überschneidung der beiden Spezies. Dazu kommt, dass der Feldhase von Natur aus etwas grösser als der Schneehase ist, und so paaren sich manche Schneehasenweibchen bevorzugt mit männlichen Feldhasen anstatt den arteigenen Männchen. Schneehasen-Feldhasen-Hybriden findet man übrigens auch in der Schweiz: Im Kanton Graubünden konnte bei verschiedenen angeblichen „Schneehasen“ auch Erbgut von Feldhasen nachgewiesen werden. Dies weist darauf hin, dass ein Eltern- oder Grosselternteil tatsächlich ein Feldhase war und Schneehasen-Feldhasen-Hybriden selbst Nachkommen haben können.

Gewinn oder Verlust durch Hybridisierung?

Ist die Hybridisierung von Arten, die geografisch nicht mehr getrennt leben, ein Vorteil? Diese Frage ist nicht mit einem klaren Ja oder Nein zu beantworten. In der Evolution gibt es viele Beispiele für die Vermischung von zwei Arten, bei denen die resultierende Art besser an die spezifischen Lebensbedingungen angepasst war und damit einen Überlebensvorteil hatte. Somit hatte die Hybridisierung einen positiven Effekt auf die Nachkommen dieser Tierarten. In der Regel fanden diese Anpassungen jedoch über einen längeren Zeitraum statt. Die raschen Veränderungen aufgrund des aktuellen Klimawandels wirken sich besonders stark auf Tiere aus, die mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte benötigen, um die Geschlechtsreife zu erreichen und sich fortzupflanzen. Zudem sind viele Hybriden nicht fortpflanzungsfähig und können nicht zum Erhalt ihrer eigentlichen – oft bedrohten – Arten beitragen.

Wie der Klimawandel sich über längere Zeit auf die verschiedenen Spezies auswirkt und ob er sogar zum Aussterben von bedrohten Arten führen kann, bleibt offen – doch dass er zurzeit mit einer Geschwindigkeit abläuft, die verschiedene Ökosysteme markant durcheinanderbringt, ist wohl unbestritten.

Erstellt: 01.11.2020
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