Portraits

Ira Nagel, Elektroingenieurin: "Wenn ich etwas begonnen habe, dann schliesse ich das auch ab"

Ira Nagel, Elektroingenieurin und Doktorandin an der ETH Lausanne (Bild: © SATW / Franz Meier)

Ira Nagel, Elektroingenieurin und Doktorandin an der ETH Lausanne. Bild: SATW/Franz Meier

Ira Nagel ist Elektroingenieurin und doktorierte an der ETH Lausanne, weil sie das Thema Energie und Stromnetzwerke wichtig findet. Während vier Jahren forschte sie an einem Mikrochip, der unser Elektrizitätsübertragungsnetz weniger störungsanfällig machen soll.

Ira Nagel ist fasziniert von den praktischen Anwendungen der Mikrotechnik (Bild © SATW / Franz Meier)

Ira Nagel ist fasziniert von den praktischen Anwendungen der Mikrotechnik. Bild: SATW/Franz Meier

Ich war als Kind nie ein Elektronikfreak. Auch meine Eltern hatten beide beruflich nicht mit Elektronik zu tun. Dennoch interessierten mich die Mathematik und Physik immer am meisten, auch wenn ich das Wirtschaftsgymnasium absolvierte. An den Besuchstagen der ETH in Zürich und Lausanne entdeckte ich, dass man mit Elektrotechnik nützliche Dinge erschaffen kann. Zum Beispiel einen Schweisshelm, dessen Schutzbrille sich nur verdunkelt, wenn eine Gefahr für die Augen besteht. Oder Kopfhörer, die zu laute Geräusche herausfiltern. Ich war fasziniert von solchen Anwendungen und entschied mich für ein Ingenieurstudium an der ETH Lausanne. Die ETH Zürich war mir zu gross. Gleichzeitig dachte ich mir, da hast du gleich noch eine Fremdsprache gratis dazu.

Im ersten Studienjahr büffelten wir Grundlagen in Mathematik und Physik. Darüber hinaus hatten wir aber alle auch unseren eigenen Laborplatz, an dem wir uns praktisch mit den Basiselementen der Elektrotechnik vertraut machten. Dafür steckten wir Transistoren, Widerstände, Spulen und Kondensatoren auf Leiterplatten und massen, wie sich der Stromfluss dadurch beeinflussen lässt. Ich machte danach ein Austauschjahr in Siena, vor allem weil ich das Italienisch so gerne mag. Ein Auslandjahr empfehle ich seither jedem, der die Gelegenheit dazu hat. Man wird selbständiger, flexibler und lernt, sich in ein neues Umfeld zu integrieren.

Das Elektrizitätsnetz auf 
einem Mikrochip simulieren


Mikrochip (Bild: © SATW / Franz Meier)

So klein ist der Chips und trotzdem kann er ein Elektrizitätsnetzwerk simulieren! Bild: SATW/Franz Meier

Während der Masterarbeit im vierten und fünften Studienjahr habe ich mich für die Vertiefungsrichtung Mikroelektronik entschieden und Mikrochips für spezielle Anwendungen entwickelt. Weil ich eigentlich nicht der Forschertyp bin und mich vor allem für die Anwendungen der Elektrotechnik begeistere, dachte ich damals noch nicht an ein Doktorat. Doch als mir mein Professor ein Doktorat im Bereich Energie anbot, sagte ich zu, denn das Thema interessiert mich und ist wichtig für unsere Gesellschaft.

Wir verbrauchen immer mehr Strom, wodurch das Übertragungsnetz öfter an der Leistungsgrenze läuft. Dadurch werden Ausfälle wahrscheinlicher. Zugleich wird die Stromversorgung durch viele kleine, nicht ständig verfügbare Energiequellen, wie Solar- und Windkraftwerke, unstabiler. Ziel meiner Arbeit war es deshalb, einen Mikrochip zu konzipieren, auf dem man das Elektrizitätsnetzwerk simulieren kann. Damit könnte man bei Störungen und Überlastungen testen, was zu tun ist, um das Netz wieder zu stabilisieren. Das wird zwar bereits heute mit numerischen Simulationen am Computer gemacht. Nur dauert das sehr lange, so dass die Ergebnisse erst vorliegen, wenn es zum Reagieren schon zu spät ist.

Mit unserem Mini-Elektrizitätsnetzwerk auf einem Mikrochip können wir solche Störfälle 10`000 mal schneller simulieren, als sie in Echtzeit ablaufen, also 24 Stunden Betriebszeit in nur 8.5 Sekunden. Doch alleine mit intelligenten Komponenten werden wir die Überlastung des Stromnetzes nicht verhindern können. Auch wir müssen zukünftig sparsamer mit Strom umgehen.

Frauen fürs Ingenieurstudium begeistern

Ira Nagel entwickelt Mikrochips für spezielle Anwendungen (Bild © SATW / Franz Meier)

Als Studentin und Doktorandin entwickelte 
Ira Nagel schon mehrere Mikrochips für spezielle Anwendungen. Bild: SATW/Franz Meier

Die vierjährige Doktoratszeit war manchmal auch frustrierend. Während einem ganzen Jahr hatte ich Probleme mit meiner Spule – einem zentralen Bestandteil in meinem System. Morgen für morgen kam ich ins Labor und wusste mit der Zeit nicht mehr, was ich noch ausprobieren könnte. Trotzdem dachte ich nie ans Abbrechen. Wenn ich mal etwas begonnen habe, dann mache ich das auch fertig. Schwierig war, dass die Stromübertragungsbranche stark von Männern dominiert wird. Zu Beginn meiner Doktorarbeit wurde ich an Konferenzen oft von anderen belächelt und als Elektroingenieurin nicht ernst genommen. Schon im Studium war nur eine von zehn Studierenden eine Frau. Dabei ist das ein Studium wie jedes andere auch. Seit drei Jahren halte ich deshalb Präsentationen in Primarschulen und versuche insbesondere den Mädchen die Faszination von technischen Berufen zu vermitteln.

Nun möchte ich mein Wissen in der Praxis einsetzen, zum Beispiel im Bereich Mikroelektronik-Design bei einem Autozulieferer, in der Medizinaltechnik oder in der Uhrenbranche. Und davor erfülle ich mir noch einen lange gehegten Wunsch: Ich feiere meinen 30. Geburtstag in Thailand an der Sonne.

Quelle: Technoscope 1/13: Energie im Alltag. Technoscope ist das Technikmagazin der SATW für Jugendliche
Alle Artikel dieser Technoscope-Ausgabe sind im Dossier "Energie im Alltag" auf SimplyScience.ch zusammengefasst.

Erstellt: 15.05.2013
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