Körper & Gesundheit

Gänsehaut und Nervenkitzel

Snowboarder

Ein Adrenalinkick beim Sprung durch die Luft. Bild: CanStockPhoto

Lässt du dich gerne erschrecken – auf der Geisterbahn oder auch im Kino? Magst du Mutproben wie Turmspringen und träumst vom Gleitschirmfliegen? Was im Körper passiert, wenn wir den Nervenkitzel suchen, erfährst du in diesem Artikel.

Unser Alltag hält wenig gefährliche Situationen für uns bereit, die unvorhergesehen über uns hereinbrechen wie ein hungriger Säbelzahntiger über den Frühmenschen beim Beerensammeln. Natürlich, man sollte nicht blindlings über die Strasse rennen – aber im Vergleich mit unseren steinzeitlichen Vorfahren leben wir ein äusserst sicheres und kontrolliertes Leben. Trotzdem zeigt unser Körper in wirklichen oder eingebildeten Gefahrensituationen noch Reaktionen, die sich nur aus unserer Entwicklungsgeschichte verstehen lassen. Und irgendwie scheint es auch in unserer Natur zu liegen, dass wir diese Reaktionen von Zeit zu Zeit „trainieren“ wollen und den Nervenkitzel suchen …

Geisterbahn

Sich gruseln, ohne dass es gefährlich wird – die Geisterbahn macht’s möglich. Bild: Usien/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Warum bekommen wir Gänsehaut?

Sich zu gruseln macht nämlich vielen von uns Spass. Ob auf der Geisterbahn oder beim Anschauen eines Horrorfilms: Der Schauer, der einem dabei über den Rücken läuft, kann durchaus angenehm sein. Das Fürchten verspricht uns einen körperlichen Kick, nämlich Gänsehaut, und durchaus auch manchmal einen Adrenalin-Schub. Aber was steckt hinter diesen natürlichen Reaktionen?

Gänsehaut und Adrenalin-Schübe entstehen in extremen oder aussergewöhnlichen Situationen wie bei Gefahr oder emotionalen Ereignissen. Unsere Fantasie spielt dabei eine wichtige Rolle. Denn obwohl auch in der gruseligsten Geisterbahn die Gefahr nicht real ist, reagiert der Körper wie in einer echten Gefahrensituation.

Mehr Kraft und Denkfähigkeit durch Stress

Adrenalin ist ein Hormon, das in der Nebenniere gebildet und in Stresssituationen ins Blut ausgeschüttet wird. Es ist sozusagen ein körpereigenes Aufputschmittel, das uns bei drohender Gefahr wacher werden lässt. Adrenalin im Blut löst gleich mehrere erstaunliche Reaktionen aus: Einerseits vergrössert sich die Lunge, damit mehr Sauerstoff aus der Luft eingeatmet werden kann, andererseits steigen der Puls und der Blutdruck an, damit mehr Sauerstoff durch den Körper und vor allem ins Gehirn fliessen kann.

Katze mit gesträubtem Fell

Das gesträubte Fell einer Katze soll einschüchtern (und hilft in diesem Fall auch gegen die Kälte). Bild: CanStockPhoto

Mehr Sauerstoff im Gehirn bedeutet eine schnellere Auffassungsgabe und bessere Reaktionsfähigkeit. Ausserdem werden durch das Adrenalin die Energiereserven des Körpers schneller verarbeitet, so dass wir mehr Kraft haben, um zum Beispiel schneller vor einer Gefahr davonrennen zu können.

Feinde einschüchtern mit Gänsehaut?

Dass wir in furchterregenden Situationen Gänsehaut bekommen, erscheint uns auf den ersten Blick allerdings eher überflüssig. Doch auch dafür gibt es eine Erklärung, denn wie sahen die Frühmenschen aus? Genau, sie waren am ganzen Körper behaart. Wenn sie sich fürchteten, spannten sich unter ihrer Haut kleine Muskeln an, die sogenannten Haarbalgmuskeln. Auf unseren haarlosen Gliedern erscheint diese Reaktion als Gänsehaut, aber bei unseren pelzigen Vorfahren richteten sich dadurch alle Körperhaare auf. Sie wirkten dadurch grösser und auf Feinde bedrohlicher – ein Effekt, den jeder kennt, der schon einmal eine wütende Katze mit gesträubtem Schwanz beobachtet hat.

Fallschirmspringer

Ein Fallschirmspringer direkt nach dem Absprung aus dem Flugzeug. Bild: Behdad Esfahbod/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Damit wird auch klar, wieso der Körper mit Gänsehaut reagiert, wenn wir in der Kälte frösteln: Zweck ist, dass die Körperbehaarung dichter wird, mehr Luft einschliesst und dadurch stärker isolierend wirkt. Diese Reaktion der Muskeln unter der Haut war also äusserst nützlich, um unsere Vorfahren warm zu halten.

Adrenalin im freien Fall

Die Alarmlampe „Gefahr!“ beginnt in unserem Gehirn natürlich nicht nur in der Geisterbahn zu leuchten. Sie warnt uns auch vor unsicheren Orten oder risikoreichen Bewegungen, bei denen beispielsweise ein Sturz drohen könnte. Der Reiz vieler Abenteuersportarten liegt darin, dass eine Situation bezwungen wird, die potentiell lebensgefährlich ist.

Fallschirmspringen, Wellenreiten oder Downhill-Biken leben vom Tempo und von den Beschleunigungen, die Adrenalinschübe durch den Körper jagen; bis zu einem gewissen Grad lässt sich das ja bereits bei einer „normalen“ Abfahrt mit Ski oder Snowboard erleben. Und wer den Körper ohne eigene sportliche Leistung in den Ausnahmezustand versetzen will, steigt in eine Achterbahn oder den Sitz eines Free Fall Towers …

Was passiert im Free-Fall-Tower mit unserem Körper?

Ein freier Fall aus über 100 m Höhe, der mehrere Sekunden dauert und Geschwindigkeiten von über 100 km/h erreicht, ist der ultimative Adrenalinkick. Kribbeln in der Magengegend, das Sausen der Luft um die Ohren … und schliesslich die rechtzeitige Bremsung dank einem ausgeklügelten Magnet-Mechanismus. Das Bremsen ist der belastendste Moment für unseren Körper, denn dabei wirkt eine Kraft, die dem Fünffachen unseres Körpergewichts entspricht. Ähnliche Kräfte muss ein Formel-1-Fahrer in den Kurven der Rennstrecke aushalten. Je nach Position des Körpers im Verhältnis zur Beschleunigungs- oder Bremsrichtung verträgt man diese Kräfte unterschiedlich gut; Nasenbluten, Sehstörungen und Ohnmachtsanfälle gehören zu den Nebenwirkungen von massiven Beschleunigungen. Achterbahnen und ähnliche Attraktionen werden aber natürlich so konstruiert, dass sie eine für gesunde Menschen verträgliche Belastung nicht überschreiten.

Falcon's Fury, Tampa, Florida

Der Free Fall Tower Falcon's Fury in Tampa, Florida. Bild: Jared/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Erstellt: 06.11.2017
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