Ich bin in Tschiertschen aufgewachsen, einem 250-Seelen-Dorf in Graubünden auf über 1300 Meter Höhe. Mein Grossvater, der «Neni» wie wir hier sagen, war immer eine wichtige Person für mich. Ich habe ihm schon früh beim Bau von Ferienhäusern ausgeholfen. Und im Winter nahm er mich jeweils mit auf den Dachstock seines 150jährigen Walserhauses, wo er nach altem Familienrezept Kuhfleisch mit Wein, Salz und Alpenkräutern einrieb, um sie in Form von Bündnerfleisch haltbar zu machen.
In der Lehre den Knopf gelöst
In der Sekundarschule in Chur gehörte ich nie zu den guten Schülern. Als Tschiertschener war ich immer etwas der Aussenseiter. Der innere Knoten hat sich bei mir erst während der Lehre als Chemielaborant im kantonalen Labor für Lebensmittelkontrolle und Umweltschutz in Chur gelöst. Das Umfeld im Labor war grossartig, die Arbeit interessant und ich schloss mit 5,3 als einer der Besten ab. Mein Neni hatte jedoch kein Verständnis für meine Berufswahl; die Chemie war ihm nämlich immer ein Dorn im Auge. Fast hätte er mir darob die Freundschaft gekündigt!
Ich habe dann drei Jahre lang bei Streuli Pharma in Uznach als stellvertretender Gruppenleiter im Labor gearbeitet. Aber das war nicht meine Welt. Ich musste dort Produkte herstellen, hinter denen ich nicht stehen konnte, und ich habe gemerkt, dass ich kein guter Arbeitnehmer bin, weil ich zuviel eigene Ideen habe. Während einer Laufbahnberatung merkte ich, dass ich eine gewisse Affinität zu Lebensmitteln habe. Wieso also nicht ein Studium in Lebensmitteltechnologie? Ich holte zuerst die Berufsmatura nach und begann danach das dreijährige Studium an der ZHAW in Wädenswil. Was mir besonders gefiel, war die Vielseitigkeit und die Praxisnähe: Wir lernten die Molkerei kennen, haben selber Käse produziert, Schokolade hergestellt und auch Mal selbst eine Sau gemetzget. Aber klar, 80 Prozent des Studiums drehen sich natürlich trotzdem um Theorie; zum Beispiel um die naturwissenschaftlichen Grundlagen von Lebensmitteln, die Funktion von technischen Hilfsmitteln oder Lebensmittelrecht. Viele meiner Mitstudenten waren früher Käser oder Köche gewesen und sehr bodenständig. Wir waren immer die einzigen an der ZHAW, die über Mittag zusammen gejasst haben.