Portraits

Simona Tamagni, Doktorandin ETH Bauingenieurwissenschaften

Simona Tamagni

Das Element Wasser hat die Tessinerin Simona Tamagni schon während ihrer Jugend fasziniert. Bei ihrem Studium der Bauingenieurwissenschaften beschäftigt sie sich theoretisch und praktisch damit. Dass ihre Arbeit so vielseitig ist, gefällt ihr besonders gut. Bild: Franz Meier

Viele Flüsse und Bäche werden heute mit Schwellen stabilisiert. Für die Fische ist dies alles andere als optimal. Simona Tamagni sucht als Doktorandin an der ETH Zürich nach einer ökologischeren Lösung. Dabei scheut sie auch vor nassen Füssen nicht zurück.

Brücken und Staumauern haben mich schon als Mädchen fasziniert. Wenn ich etwa an der eindrücklichen Staumauer im Verzascatal bei Locarno vorbei fuhr, fragte ich mich immer, wie diese Mauer das viele Wasser im Stausee zurückhalten kann. Und da ich zudem in der Schule gerne mathematische Aufgaben löste, war es für mich naheliegend, an der ETH Zürich Bauingenieurwissenschaften zu studieren.

Grosse Steine bremsen Wasser

Flussbett bei Landquart

Bei der Landquart konnte das Flussbett mit einer neuen unstrukturierten Blockrampe erfolgreich stabilisiert werden. Bild: Franz Meier

Das Thema Wasser fasziniert mich immer noch. Deshalb habe ich mich entschlossen, an der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich eine Doktorarbeit zu schreiben. Ich untersuche dabei eine neue Art, wie man Flüsse auf ökologische Weise stabilisieren könnte. Diese Stabilisierung ist nötig, weil sich viele Flüsse in der Schweiz im Erosionszustand befinden. Würde man die Flüsse nicht verbauen, würde das Wasser immer mehr Material von der Flusssohle wegschwemmen und das Flussbett würde sich immer tiefer in die Landschaft eingraben. Aus diesem Grund hat man bei vielen Flüssen Schwellen eingebaut. Dadurch hat das Wasser weniger Kraft, um das Material wegzuschwemmen.

Diese Schwellen haben allerdings einen Nachteil: Sie behindern die Wanderbewegungen der Fische und sind daher aus ökologischer Sicht nicht optimal. Eine mögliche Lösung ist nun, dass man die Schwellen durch unstrukturierte Blockrampen ersetzt. Dazu werden grosse Steinblöcke mit einem Durchmesser von 1 bis 1.4 Metern zufällig in die Flüsse gesetzt. Diese Blöcke bremsen dann den Wasserabfluss, so dass die Flusssohle auch ohne Schwellen nicht mehr weggeschwemmt wird. Gleichzeitig können die Fische wieder ohne Behinderung durch den Fluss schwimmen. Die Frage ist nun: Wie gross müssen die Felsblöcke sein und wie viele davon braucht man? Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten: An der Landquart beispielsweise konnte ein Flussabschnitt mit solchen Blöcken erfolgreich verstärkt werden. Bei der Emme und Simme hingegen wurden die grossen Steine bei einem Hochwasser weggeschwemmt.

Ein Modell aus Sand und Kies

Mit einem 13 Meter langen Modell untersucht Simona Tamagni, wie Flüsse ökologisch stabilisiert werden können

Mit einem 13 Meter langen Modell untersucht Simona Tamagni, wie Flüsse ökologisch stabilisiert werden können. Bild: Franz Meier

In meiner Doktorarbeit erarbeite ich nun Grundlagen für die Ingenieure, damit diese Blockrampen künftig richtig bauen können. Je nachdem, wie gross das Flussgefälle ist, aus welchem Material die Flusssohle besteht und wie viel Wasser der Fluss bei einem Hochwasser führt, braucht es eine andere Anzahl Blöcke und Blöcke mit einem anderen Durchmesser. Im Wasserbau werden solche Bauwerke üblicherweise so ausgelegt, dass sie einem Jahrhunderthochwasser standhalten, das statistisch gesehen nur einmal in hundert Jahren auftritt. Natürlich gibt es auch noch grössere Hochwasser. Doch bei einem solchen Ereignis nimmt man halt Schäden in Kauf, weil es sonst zu teuer wäre, die Flüsse zu verbauen. Das Kernstück meiner Arbeit sind die Experimente, die ich in der grossen Versuchshalle der VAW mit grossen Modellen durchführe.

Im meinem Fall handelt es sich um ein 13 Meter langes Modell, dessen Neigung verändert werden kann. Dort baue ich die Rampen mit Sand, Kies und Blöcke ein, um das Flussbett im Modell nachzubilden, und lasse dann Wasser darüber laufen. Auf diese Weise kann ich untersuchen, wie die Blöcke bei einem richtigen Fluss angeordnet werden müssen. Das Spezielle an der VAW ist, dass wir hier sehr praxisorientiert arbeiten. Meine Arbeit ist sehr abwechslungsreich: Ich sitze nicht nur am Computer, sondern bin eben auch viel mit den Experimenten beschäftigt und muss dabei auch viel Handarbeit erledigen. Dabei kommt es immer wieder vor, dass ich bei der Arbeit nasse Füsse bekomme. Was ich nach dem Abschluss meiner Doktorarbeit machen werde, weiss ich heute noch nicht genau. Vermutlich werde ich nicht in der Forschung bleiben, sondern in die Praxis gehen, denn ich habe grosse Lust, später einmal konkrete Projekte umzusetzen – am liebsten natürlich im Bereich Wasserbau, damit ich mich weiter mit meinem Lieblingselement beschäftigen kann. Meine Berufsaussichten sind ich im Moment sehr günstig: Durch meine Arbeit kenne ich inzwischen viele Leute aus dem Bereich Wasserbau. Und gleichzeitig sind Bauingenieure und Bauingenieurinnen sehr gesuchte Leute auf dem Arbeitsmarkt.

 

Quelle: Technoscope 1/12: Wasse. Technoscope ist das Technikmagazin der SATW für Jugendliche

Erstellt: 17.04.2012
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