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Gen-Defekte erkennen

Gefärbte elektronenmikroskopische Aufnahme von roten Blutkörperchen. Bei der Sichelzellanämie erkennt man sichelförmige rote Blutkörperchen (hier hellrot). Die Erkrankung kann mittels Gentest vorgeburtlich diagnostiziert werden.
Bild: OpenStax College/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Gen-Defekte können zu schweren Krankheiten führen. Beispiele für solche Erbkrankheiten sind die Sichellzellanämie und die Cystische Fibrose.

Fehler in einem Gen können dazu führen, dass ein defektes Protein anstelle eines gesunden produziert wird. Solche Gendefekte können zu schweren Krankheiten führen. Beispiele für eine schwere Erbkrankheit sind die Sichelzellanämie und die Cystische Fibrose. Menschen mit Cystischer Fibrose leiden von Geburt an unter schweren Atmungs- und Verdauungsstörungen. Selbst bei guter medizinischer Behandlung ist die Lebenserwartung dieser Menschen ist im Vergleich zu gesunden nur etwa halb so hoch.

Vorgeburtliche Diagnostik

Genetische Krankheiten wie die Sichelzellanämie können bereits beim ungeborenen Kind mit Gentests nachgewiesen bzw. ausgeschlossen werden. Das ist heute bei etwa 200 der rund 6000 bekannten Erbkrankheiten möglich.Gentests werden vielfach dann in Anspruch genommen, wenn in der Verwandtschaft eines Paares eine Erbkrankheit häufig vorkommt. Eine Möglichkeit, ein ungeborenes Kind zu untersuchen, ist die Fruchtwasserpunktion. Dabei sticht der Arzt mit einer Nadel durch die Bauchdecke und die Gebärmutterwand der werdenden Mutter in die Fruchtblase und saugt Fruchtwasser ab. Darin befinden sich Zellen des Embryos. Die aus den Embryozellen isolierte DNA wird dann auf Gendefekte untersucht. Im Falle eines krankhaften Befunds haben die Eltern heutzutage in der Regel zwei Möglichkeiten: Sie entscheiden sich für ein Leben mit einem behinderten Kind oder für den Schwangerschaftsabbruch. Denn für die meisten genetisch bedingten Krankheiten steht keine heilende Therapie zur Verfügung.

Präimplantations-Diagnostik

Es ist theoretisch auch möglich, genetische Erkrankungen bereits vor einer Schwangerschaft zu diagnostizieren. Dazu müssen die Embryonen im Labor gezeugt werden, das heisst, die Befruchtung der Eizelle findet ausserhalb der Gebärmutter statt. Man spricht von „künstlicher Befruchtung“.

Bei einer künstlichen Befruchtung werden der Mutter mehrere Eizellen entnommen und mit Samenzellen des Vaters in einer Schale im Labor zusammengebracht. Damit der Frau die Eizellen überhaupt entnommen werden können, erhält sie eine starke Hormonbehandlung. Das kann sowohl physisch als auch psychisch sehr belastend sein. In der Laborschale verschmelzen dann Ei- und Samenzelle, und die so entstandenen Embryonen wachsen zunächst einige Tage in einer Nährlösung.

In dieser Zeit kann man die Embryonen genetisch untersuchen. Dazu löst man vorsichtig eine einzelne Zelle ab. Der Embryo ist in der Lage, diesen Verlust auszugleichen. Ein Gentest an der abgelösten Zelle zeigt, ob der Embryo von der schweren Erbkrankheit der Familie betroffen ist oder nicht. Nun bestünde die Möglichkeit, gesunde Embryonen auszuwählen und in die Gebärmutter zu versetzen, um so eine Schwangerschaft herbeizuführen.

Da der Embryo vor dem Einnisten in die Gebärmutter untersucht wird, spricht man bei dieser Untersuchung von Präimplantationsdiagnostik (PID). Informationen zur PID in der Schweiz sowie zu ethischen Überlegungen, die dabei eine Rolle spielen, bekommst Du im Faktenblatt Gendiagnostik.

Gendefekte nach der Geburt erkennen

Gentests können auch nach der Geburt durchgeführt werden. Solche Gentests sind dann nützlich, wenn sich die Krankheit medizinisch behandeln lässt.

Ein Beispiel: Die Stoffwechselkrankheit Phenylketonurie wird durch ein einzelnes, defektes Gen verursacht. Der Körper betroffener Säuglinge kann die Aminosäure Phenylalanin nicht abbauen. Sie reichert sich im Blut an und führt zu schweren geistigen und körperlichen Entwicklungsstörungen.

Die Folgen der Krankheit sind vermeidbar, wenn man den Gendefekt früh genug erkennt. In den meisten Industrieländern wird deshalb direkt nach der Geburt die Menge des Phenylalanins im Blut des Säuglings bestimmt. Sind die Werte erhöht, führt man einen Gentest durch. Bestätigt der Gentest, dass der Säugling an dem Gendefekt leidet, wird das Kind nach einem bestimmten Diätplan ernährt. Phenylalanin-haltige Nahrungsmittel müssen vermieden werden, denn nur so kann sich das Kind gesund entwickeln.

Krankheiten die erst beim Erwachsenen ausbrechen

Es gibt auch genetisch bedingte Krankheiten, die erst später im Leben ausbrechen, obwohl das neugeborene Kind den Gendefekt bereits in sich trägt. Für manche dieser Krankheiten stehen bereits heute Gentests zu Verfügung. Das heisst, man kann eine Krankheitsveranlagung erfassen, bevor die Krankheit ausgebrochen ist. Chorea Huntington ist ein solches Beispiel. Diese Krankheit ist ein erbliches Nervenleiden, das durch einen Gendefekt verursacht wird. Sie bricht zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr aus und führt nach ca. 15–20 Jahren zum Tod. Leider gibt es bis heute noch keine Behandlung, mit der das Voranschreiten dieser Krankheit aufgehalten werden könnte. Die Durchführung eines Gentests sollte deshalb sehr genau überlegt werden. Das Wissen um den Gendefekt und das Unvermögen, etwas dagegen tun zu können, können sehr belastend sein.

Erstellt: 22.04.2018

Dieser Beitrag integriert Inhalte von der ehemaligen Website gene-abc.ch, die im Jahr 2016 von SimplyScience übernommen wurde. Das Gene ABC war eine Initiative des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) und umfasste auch eine Reihe von YouTube-Videos.

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