Sterne & Weltraum

Wie entstehen die erstaunlichen Bilder des James-Webb-Teleskops?

Hauptspiegel des James-Webb-Teleskops

Sechs von insgesamt 18 Segmenten des Hauptspiegels des James-Webb-Teleskops werden bei der NASA für die abschliessenden Tieftemperatur-Tests vorbereitet. Bild: Wikimedia Commons/NASA

Das neue James-Webb-Teleskop ist 1.5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt stationiert: viermal so weit weg wie der Mond! Seit seinem Start im Dezember 2021 hat es uns bereits Tausende von Bildern von verschiedenen Himmelskörpern geliefert, die Milliarden von Lichtjahren von der Erde entfernt sind – also sehr, sehr weit weg. Diese hochauflösenden Fotos von Nebeln, Galaxienhaufen oder sterbenden Sternen faszinieren Astrophysikerinnen und Hobbyastronomen gleichermassen. Aber wie funktioniert dieses hochentwickelte Teleskop, das Ergebnis der Zusammenarbeit von mehreren Hundert Wissenschaftlern? 

Das James-Webb-Teleskop wurde von Wissenschaftlern der Raumfahrtbehörden der USA (NASA), Europas (ESA) und Kanadas (ASC) so konstruiert, dass es Bilder des Universums mit Himmelskörpern in einer Entfernung von bis zu 13 Milliarden Lichtjahren aufnehmen kann. Es besteht aus mehreren ausgeklügelten Modulen, die in jahrelanger wissenschaftlicher Forschung entwickelt wurden. Bevor wir uns genauer damit beschäftigen, was dieses Teleskop so leistungsstark macht, wollen wir uns zunächst damit befassen, wie ein Teleskop im Allgemeinen funktioniert. Am Ende des Artikels ist eine Galerie von Bildern zu finden, die mit dem James-Webb-Teleskop aufgenommen wurden.

Wie funktioniert ein Teleskop eigentlich?

Um entfernte Objekte zu beobachten, muss ein Teleskop das Licht des Nachthimmels sammeln und bündeln. Für diese Art von Beobachtungen bevorzugt man in der Astrophysik ein Spiegelteleskop („Reflektor“); das von Isaac Newton um 1670 entwickelte Newton-Teleskop ist einer der wichtigsten Typen dieser Bauform. Ein Reflektor bündelt das einfallende Licht mithilfe von zwei Spiegeln: dem Hauptspiegel und dem Hilfs- oder Sekundärspiegel. Das von den Sternen ausgestrahlte Licht tritt in das Teleskop ein und wird zunächst vom Hauptspiegel reflektiert. Dieser ist leicht gekrümmt, damit alle Lichtstrahlen auf einen Punkt gebündelt werden – man spricht von Konvergenz der Lichtstrahlen. Danach wird das Licht ein zweites Mal reflektiert, und zwar am Sekundärspiegel. Schliesslich gelangt das Licht durch das Okular in das Auge des Beobachters, der die Sterne nun grösser sieht.

Schema eines Newton-Teleskops

Funktionsweise eines Newton-Teleskops: Das einfallende Licht wird zweimal reflektiert (am Hauptspiegel und dann am Sekundärspiegel), bevor es über das Okular zum Auge des Beobachters gelangt. Illustration: Pierre Beckmann

Wie funktionieren die Spiegel des James-Webb-Teleskops?

Das James-Webb-Teleskop ist so konstruiert, dass es Himmelskörper beobachten kann, die viel weiter entfernt sind als die Sterne, die man mit einem herkömmlichen Newton-Teleskop sehen kann. Sie befinden sich so weit entfernt, dass wir praktisch kein Licht von ihnen empfangen. Man kann sich das mit folgendem Vergleich vorstellen: Von den am weitesten entfernten Sternen, die mit dem James-Webb-Teleskop noch beobachtet werden können, empfangen wir 20-Mal weniger Licht als wenn eine Taschenlampe auf dem Mond angeknipst würde! Um möglichst viel Licht zu sammeln, funktioniert das James-Webb-Teleskop grundsätzlich wie ein Newton-Teleskop, ist aber viel grösser. Schauen wir uns das Ganze einmal genauer an.

 

Weg eines Lichtstrahls durch das James-Webb-Teleskop

Weg eines Lichtstrahls, der an einem Sechseck (Segment des Primärspiegels) und dann am Sekundärspiegel reflektiert wird, bevor er in das Modul mit den wissenschaftlichen Instrumenten in der Mitte des James-Webb-Teleskops eintritt.
Bild: CanStockPhoto (von der Redaktion bearbeitet)

Um so viele Lichtstrahlen wie möglich zu bündeln, hat der Hauptspiegel des James-Webb-Teleskops einen Durchmesser von 6.5 m. Das ist mehr als doppelt so viel wie der Spiegel seines Vorgängers, des Hubble-Teleskops, das 1990 in seine Umlaufbahn gebracht wurde! Der Hauptspiegel ist gekrümmt und besteht aus 18 kleineren Sechsecken. Jedes dieser Sechsecke verfügt über kleine Motoren, mit denen der Reflexionswinkel präzise eingestellt werden kann. Dank dieser Technologie kann das Teleskop die Strahlen minutiös auf den Sekundärspiegel bündeln.

Das Material des Hauptspiegels ist Beryllium, das sowohl sehr stark als auch sehr leicht ist. Er ist mit einer dünnen Goldschicht überzogen, die eine bessere Reflexion des Infrarotlichts ermöglicht. Der Sekundärspiegel besteht ebenfalls aus Beryllium und Gold, ist aber viel kleiner. Vom Haupt- wird das Licht zum Sekundärspiegel reflektiert und dann in das Modul, in dem sich die optischen Instrumente und Detektoren des Teleskops befinden. Über zwei weitere kleine Spiegel empfangen sie die Daten und stellen sie als Bild dar.

Die optischen Instrumente

Die Instrumente und Detektoren des James-Webb-Teleskops befinden sich im ISIM-Modul („Integrated Science Instrument Module“). Sie sind für den Infrarot-Bereich des Lichts optimiert, der für das blosse Auge unsichtbar ist. Dies ist auch ein Unterschied zum Hubble-Teleskop, dem Vorgänger des James-Webb-Teleskops, das sich auf sichtbares Licht konzentriert. Die auf Infrarot spezialisierten Instrumente des James-Webb-Teleskops verraten uns viel über die verschiedenen Objekte im Universum:

  • Die Nah-Infrarot-Kamera (NIRCam) beobachtet sehr weit entfernte, schwach leuchtende Objekte und Exoplaneten.
  • Der Nah-Infrarot-Spektrograf (NIRSpec) kann dank ausgeklügelter Verschluss-Technologie Lichtspektren von mehr als 100 Objekten gleichzeitig erfassen und liefert Informationen zu ihren Eigenschaften und ihrer chemischen Zusammensetzung.
  • Das Instrument für mittleres Infrarot (MIRI) beobachtet sehr weit entfernte Objekte im mittleren Infrarot-Bereich.
  • Ein weiterer Nah-Infrarot-Spektrograf (FGF/NIRISS) dient zusätzlich zur Aufnahme von Spektren auch der Feinausrichtung der optischen Instrumente.

Die von den vier optischen Instrumenten mit ihren verschiedenen Filter- und Einstellungsmöglichkeiten gesammelten Daten ermöglichten bereits nach wenigen Monaten die Veröffentlichung von verblüffenden Bildern aus den Tiefen des Weltraums, die bisher nie gesehene Details zeigen!

Die wichtigsten Aufgaben des James-Webb-Teleskops

  • Erforschung der ältesten leuchtenden Objekte und Galaxien, die sich bereits kurze Zeit nach dem Urknall gebildet haben.
  • Untersuchung der Entwicklung von Galaxien seit ihrer Entstehung bis heute.
  • Beobachtung der Entstehung von Sternen von den ersten Stadien bis zur Bildung von Planetensystemen.
  • Messung der physikalischen und chemischen Eigenschaften von Planetensystemen und Evaluation der Möglichkeit, ob es in diesen Systemen Leben gibt.

 

Text: Redaktion SimplyScience.ch

Quellen:
(1) NASA Science, How Do Telescopes Work ?, abgerufen am 19. September 2022
(2) The Insane Engineering of James Webb Telescope, abgerufen am 19. September 2022
(3) NASA James Webb Telescope, Webb’s Mirrors, abgerufen am 19. September 2022
(4) NASA James Webb Telescope, ISIM & Instruments, abgerufen am 19. September 2022
(5) NASA James Webb Telescope, What are the main science goals of Webb ?, abgerufen am 19. September 2022

Erstellt: 30.01.2023
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