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Chromosom 11: Das Höhenenzym

In grossen Höhen ist der Sauerstoffgehalt der Luft gering, was spezielle Anpassungen vom menschlichen Körper verlangt. Bild: CanStockPhoto

Ohne ausreichendes Training zu einer Expedition in den Himalaja aufzubrechen, würde bei vielen Menschen die gefürchtete und gefährliche Höhenkrankheit auslösen.

Eine Expedition in den Himalaya ohne ausreichendes Training und Akklimatisation würde bei den meisten von uns wohl die gefürchtete und gefährliche Höhenkrankheit auslösen. In 5000 Metern Höhe beträgt der Sauerstoffgehalt in der Luft nur noch einen Drittel des Sauerstoffgehalts auf Meereshöhe. Sauerstoffmangel belastet Muskeln, Lungen und Gehirn des Menschen.

In grosser Höhe über Meer bilden sich im Körper vermehrt so genannte freie Radikale. Das sind chemische Verbindungen, welche die Mitochondrien angreifen, die Kraftwerke unserer Zellen. Doch die Mitochondrien sind den schädlichen freien Radikalen dank der Aktivität des Enzyms GST (Gluthation-S-Transferase) nicht schutzlos ausgeliefert. Solange die freien Radikale nur in geringer Zahl vorhanden sind, vermag das Enzym GST sie zu neutralisieren und die Mitochondrien zu schützen.

Doch wie kommt es, dass die Menschen in Tibet in extremen Höhenlagen leben und schwere körperliche Arbeit verrichten können, ohne dass die Entgiftungsmechanismen in ihrem Körper überfordert sind? Ihr Körper bildet mehr GST und erträgt daher die sauerstoffarme Luft besser! Die Vorfahren der Tibeter müssen einst eine Variante des GST-Gens auf dem Chromosom Nummer 11 erworben haben, die überdurchschnittlich stark abgelesen und in Protein übersetzt wird. So hat ihr Körper kein Problem, die zahlreichen freien Radikale zu neutralisieren und den Angriff auf die Mitochondrien abzuwehren. Die Anpassung des Menschen an grosse Höhenlagen ist also zumindest teilweise vererbt.

Auch für die Menschen im Tiefland sind diese Erkenntnisse bedeutsam. Es gibt verschiedene Formen des GST-Gens, und damit verbunden mehr oder weniger wirksame Entgiftungsenzyme. Heute weiss man, dass Menschen mit bestimmten Mutationen im GST-Gen bei Belastung durch Umweltgifte einem höheren gesundheitlichen Risiko ausgesetzt sind als andere. Das GST- Enzym ist auch ins Visier der Krebsforscher geraten. Man konnte bereits zeigen, dass eine Unterdrückung dieses Enzyms in Krebszellen zu einer höheren Anzahl an schädlichen freien Radikalen führt, was wiederum das Wachstum der Krebszellen beeinträchtigt. Das GST-Enzym scheint also eine Menge nützlicher Eigenschaften zu haben.

Erstellt: 22.04.2018

Dieser Beitrag integriert Inhalte von der ehemaligen Website gene-abc.ch, die im Jahr 2016 von SimplyScience übernommen wurde. Das Gene ABC war eine Initiative des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) und umfasste auch eine Reihe von YouTube-Videos.

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