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Der Weihnachtsmann auf dem physikalischen Prüfstand

Der Weihnachtsmann und seine gutgelaunten Rentiere. Bild: CanStockPhoto

Du glaubst nicht an den Weihnachtsmann? Unmöglich, dass alle Kinder ihre Weihnachtsgeschenke per Rentierschlitten bekommen? Das ist leicht gesagt. Aber hast du deine Annahme schon einmal wissenschaftlich zu belegen versucht?

Um zu zeigen, ob der Weihnachtsmann und sein Schlitten einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten, müssen wir allerdings ein paar physikalische Gesetze kennen und etwas rechnen. Also los:

Gehen wir davon aus, dass es ungefähr zwei Milliarden (eine 2 mit 9 Nullen!) Kinder auf der Welt gibt. Angenommen, der Weihnachtsmann bringt jedem von ihnen ein Geschenk, dann müsste er am Heiligabend zwei Milliarden Geschenke verteilen! Für unsere Rechnung können wir ein durchschnittliches Gewicht von 500 Gramm (etwa fünf Tafeln Schoggi) und ein mittleres Volumen von einem Kubikdezimeter annehmen (das entspricht etwa einem Tetrapack Milch). Mit diesen Annahmen wiegt die Gesamtmenge der Geschenke, die der Weihnachtsmann transportieren muss, eine Million Tonnen (mehr als 140‘000 ausgewachsene Elefanten auf die Waage bringen) und hat ein Volumen von zwei Millionen Kubikmetern (mehr als 500 olympische Schwimmbecken). Das sind astronomische Zahlen! Was sagen die physikalischen Grundgesetze zu einer derart kolossalen Aufgabe?

Morgen kommt der Weihnachtsmann …

Nur eine Katze sieht den Schlitten des Weihnachtsmannes am 24. Dezember vorbeifliegen ... Bild: CanStockPhoto

Erst einmal müssen wir zugestehen, dass der Schlitten des Weihnachtsmannes nicht von den traditionellen neun Rentieren gezogen wird, sondern von 500‘000 (ein Rentier wäre dann fähig, 200 kg zu ziehen, also etwas mehr als sein eigenes Durchschnittsgewicht von 180 kg). Wenn man diese nun in Reihen von 10 Rentieren aufstellt, ist die Kolonne 150 km lang (ein Rentier ist etwas mehr als 2 m lang und braucht 80 cm Platz vor sich). Da ist es nicht nur schwer vorstellbar, wie ein solch imposantes Gespann unsichtbar und lautlos durch die Weihnachtsnacht gleiten soll, sondern es stellt sich noch ein weiteres Problem: Man vergisst es leicht, aber Schall breitet sich nur mit einer endlichen Geschwindigkeit aus. Anders gesagt, wenn du dich auf einen Hügel stellst und jemand anderem auf einem gegenüberliegenden Hügel etwas zurufst, wird man es dort mit leichter Verzögerung hören, weil der Schall einen Moment benötigt, um von deinem Mund zu den Ohren des Empfängers zu gelangen. Da wir die Geschwindigkeit des Schalls kennen (etwa 330 m pro Sekunde), können wir leicht Folgendes berechnen: Wenn der Weihnachtsmann seinen Rentieren „Hü!“ oder „Halt!“ zuruft, hört das Rentier zuvorderst im Gespann seinen Befehl … siebeneinhalb Minuten später! Der Weihnachtsmann braucht also 7 min 30 s, um sein Gespann in Bewegung zu setzen oder anzuhalten (reden wir nicht vom Kurvenfliegen – eine richtige Gymnastikübung).

… kommt mit seinen Gaben

Kommen wir aber zurück zur Verteilung der Geschenke: Ist die Mission des Weihnachtsmannes aus physikalischer Sicht realisierbar? Schätzen wir, dass pro Haus (mit einer oder mehreren Familien) etwa 3,5 Kinder leben – so muss der Weihnachtsmann nicht zwei Milliarden, sondern nur etwas mehr als 570 Millionen Häuser besuchen. Nun benötigt er aber, wie wir gerade gesehen haben, bei jedem Haus eine Viertelstunde (zweimal 7 min 30 s) allein um seinen Schlitten anzuhalten und wieder in Bewegung zu setzen. Ausserdem sagt uns das Gesetz des freien Falls, dass er mindestens eine Sekunde braucht, um einen Kamin von fünf Metern Höhe hinabzurutschen (ganz zu schweigen von seinen Schwierigkeiten bei all den Häusern ohne Kamin …). Zählen wir hinzu, dass er mindestens eine Sekunde benötigt, um den Christbaum zu finden und die Geschenke abzulegen, sowie drei Sekunden, um den Kamin wieder hinaufzuklettern und in den Schlitten einzusteigen. Nun müssen wir feststellen, dass der Weihnachtsmann in diesem Rhythmus seine 570 Millionen Häuser in … 4533 Jahren besucht! Sogar, wenn wir annehmen, dass er über Funk mit seinen Rentieren kommuniziert, dauert sein Besuch immer noch mehr als 24 Jahre. Anders gesagt: Es ist wirklich schwierig, die physikalischen Gesetze mit der Dauer der Weihnachtsnacht in Einklang zu bringen.

Könnte der Weihnachtsmann seine Fahrt optimieren?

Auf den ersten Blick scheint der der Weihnachtsmann nur 12 Stunden zur Verfügung zu haben, um all seine Geschenke zu verteilen, da dies ja während der Nacht geschehen muss. Doch das ist nicht ganz korrekt … Wenn er entscheidet, seine Route von Osten nach Westen zu planen, hat er mehr Zeit. Warum? Wenn in Moskau (einer relativ östlichen Stadt) schon die Morgendämmerung beginnt, ist es in Lissabon (eher im Westen) noch Nacht. Stellen wir uns also vor, der Weihnachtsmann beginnt seine Route in der Gegend von Australien und beendet sie an der amerikanischen Westküste (eine Annäherung, da es auf den Pazifikinseln verhältnismässig wenige Kinder hat): So verfügt er über 12 Nachtstunden plus 18 Stunden Zeitdifferenz zwischen Sydney (GMT + 10) und San Francisco (GMT -8). Insgesamt hat unser Weihnachtsmann also etwa 30 Stunden Zeit, um seine Geschenke zu verteilen. Doch wie oben berechnet stehen ihm dabei die physikalische Gesetze dennoch im Wege ...

Der Weihnachtsmann muss all seine Geschenke vor dem Morgengrauen verteilt haben. Bild: CanStockPhoto

Inspiration: Reno et Boulet, Noëlogie, in La Rubrique scientifique, Band 1, éd. Glénat, 2002 (Comic); Le Père Noël à l'épreuve de la science

Erstellt: 11.12.2015
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