Niels Kuster, Präsident der Speag und gleichzeitig Professor am Departement Informationstechnologie und Elektrotechnik der ETH Zürich, beschäftigt sich schon seit 1987 mit der Messung von elektromagnetischen Strahlen. 1992 beauftragte ihn die deutsche Regierung, ein präzises SAR-Messverfahren auszuarbeiten. Die dabei entwickelte Technologie war die Basis für die Firmengründung von Speag vor 16 Jahren.
Roboterarm im Kopf
Bei einem Rundgang durch die Forschungs- und Entwicklungslabors des Unternehmens trifft man überall auf SAR-Messgeräte. Das sind gelbe Roboterarme mit einer Messsonde an der Spitze, die über einer Art Badewanne mit der Aussparung eines halben Kopfes stehen. Diese wird mit einer Flüssigkeit gefüllt, die sehr ähnliche elektromagnetische Eigenschaften wie das Gewebe unseres Kopfes hat. Unterhalb dieser Kopfform, nahe am Ohr, ist das zu messende Handy installiert. Nun fährt der Roboterarm seinen Messfühler in die Flüssigkeit und sucht den Punkt im Kopf, an dem die grösste Belastung durch elektromagnetische Strahlen auftritt. Von dort aus misst er die Strahlung in einem durch die internationalen Kontrollbehörden fest vorgeschriebenen Quader.
Aus dieser Messung berechnet der Computer den endgültigen SAR-Wert eines Handys. Das Herzstück der Geräte ist die Sonde mit drei integrierten Sensoren; alle etwa so gross wie ein Zündholzkopf. Hier liegt das gesamte Firmengeheimnis. Während die ersten SAR-Sonden auf dem Markt noch Abweichungen von über 60 Prozent hatten, sind es bei Speags neusten Modellen weniger als sieben Prozent. Tagtäglich beschäftigen sich Kusters Ingenieure mit der Optimierung dieser Sonden.
Werkzeug für die Handyproduzenten
Speag produziert aber nicht nur Messgeräte für Kontrollbehören. Kuster zeigt einen schwarzen Quader von der Grösse einer Autobatterie. Die 256 darin eingebauten Mikrosensoren können in weniger als drei Sekunden messen, wie stark ein Handy auf den Körper oder – mit einem leicht modifizierten Gerät – auf den Kopf abstrahlt. Handyhersteller können damit schon während der Produktion erste Messungen durchführen und bei Prototypen testen, welche Auswirkung kleine Änderungen beim Handydesign auf den SAR-Wert haben. Je kleiner und dünner die Handys nämlich werden, desto näher ist die Antenne am Kopf des Benutzers und desto schwieriger wird es für die Entwickler, die SAR-Grenzwerte einzuhalten. Deshalb beschäftigen sich heute ganze Teams bei den Handyproduzenten mit dem Antennendesign und der Strahlungsreduktion. Dazu nutzen sie auch Simulationsprogramme, die vom Zürcher Unternehmen entwickelt werden. Mit diesen lässt sich die zukünftige Handystrahlung ausgehend von der Bauweise und dem Design eines Handys am Computer berechnen.
Kuster zeigt zwei Bilder: Eines mit einem Diagramm einer SAR-Messung am Kopfmodell. Das andere zeigt eine Computersimulation für dasselbe Handy. Die Bilder sind praktisch identisch – ein Zeichen dafür, wie ausgereift die Computermodelle mittlerweile sind. Trotzdem muss jedes Handy nach wie vor am Kopfmodell geprüft werden, bevor es in den Verkauf kommt. Ob ein dauerhafter Kontakt mit elektromagnetischer Strahlung unterhalb des Grenzwerts, zum Beispiel durch regelmässige lange Handygespräche, für die Gesundheit schädlich ist, wissen die Experten bis heute nicht. «Handys werden erst seit etwa 15 Jahren von breiten Bevölkerungsschichten genutzt, von Kindern seit weniger als 10 Jahren; uns fehlen deshalb zuverlässige Langzeitstudien», erklärt Kuster. Eine genaue Strahlungsmessung und die Einhaltung der Grenzwerte seien deshalb wichtig. «Und dafür wollen wir auch in Zukunft die weltbeste Technologie entwickeln», betont Kuster.