Zellen & Moleküle

Die Chemie des Guetzli-Dufts

Selbstgebackene Weihnachtsguetzli

Bild: CanStockPhoto

Zimetschtärn han i gärn … Weihnachtszeit ist Guetzlizeit! Auch wenn du ansonsten nur selten in der Küche stehst, bekommst du im Advent vielleicht plötzlich Lust zum Backen. Oder freust dich zumindest, wenn jemand anders es tut … Denn mit dem fast geruchlosen Teig passiert im Ofen etwas, das ihm einen unwiderstehlichen Duft verleiht.

Den Geruch und Geschmack von goldbraun gebackenem Teig mögen wohl die meisten von uns. Das Aroma, das beim Braten, Rösten und Backen von Lebensmitteln entsteht, ist deshalb ein wesentlicher Bestandteil unserer Freude am Kochen und Essen! Was bei diesen Zubereitungsarten aber genau passiert, ist gar nicht so einfach zu erklären, denn dabei laufen im Nahrungsmittel ganz viele Prozesse gleichzeitig ab.

Wenn Guetzli im Ofen goldgelb und schliesslich braun (oder gar schwarz) werden, handelt es sich dabei um eine sogenannte Maillard-Reaktion. Dieser Name ist allerdings ein wenig irreführend, denn darunter fasst man zahlreiche chemische Reaktionen zusammen, die gleichzeitig oder nacheinander in mehreren Stufen ablaufen können. Es sind die Aminosäuren (zum Beispiel aus den Proteinen von Milch und Ei) und Kohlenhydrate wie Zucker und Stärke, die sich dabei zu neuen Verbindungen mit charakteristischem Aroma zusammensetzen.

Verbrannte Guetzli

Rasch passiert: Hier ist die Maillard-Reaktion zu lange abgelaufen … Bild: CanStockPhoto

Die Zutaten des Aromas: Aminosäuren und Kohlenhydrate

Bei der Maillard-Reaktion handelt es sich also nicht um eine, sondern um Tausende von möglichen Reaktionen, bei denen sich ab etwa 140 °C eine Aminosäure mit einem Zucker über ein Zwischenprodukt zu Aromastoffen verbindet. Es folgen weitere Schritte, woraus viele verschiedene, mehr oder weniger intensiv braun gefärbte Verbindungen entstehen. Diese Endprodukte der Maillard-Reaktion, die Amide, sind in jeder gebackenen, gerösteten oder gebratenen Speise vorhanden – in Pommes Frites, Crêpes, oder gebratenem Fleisch genauso wie in Kaffeebohnen und Weihnachtsguetzli.

Viele dieser Verbindungen sind noch unbekannt, aber es gibt Stoffgruppen, denen man eine charakteristische Geschmacksrichtung zuordnen kann: So schmecken die sogenannten Oxazole nussig und süss, Pyrazine rufen einen Toast-Geschmack hervor, Pyrrole schmecken nussig und nach Getreide, und das Aroma von Thiophenen erinnert uns an geröstetes Fleisch.

Doch wehe, wenn die Hitze zu lange auf diese Aromen einwirkt! Da nicht jeder Ofen gleich reagiert und gerade die kleinen Weihnachtsgebäcke nicht ganz unempfindlich sind, ist es leider schnell passiert: Die Mailänderli sind dunkelbraun geworden … Dabei zersetzen sich die Aromastoffe und zerfallen in ihre Bestandteile (zum grossen Teil Kohlenstoff und Wasser), und die dabei entstehenden Geschmacksnoten empfinden die meisten von uns als unangenehm bitter!

Die Hitze macht’s

Bei der Weihnachtsbäckerei geschehen noch andere Stoffumwandlungen: Auch bei der Caramelisierung von Zucker bilden sich aus einem geruchlosen Ausgangsstoff durch Hitzeeinwirkung verschiedene Aromen. Das Caramelisieren ist nicht mit der Maillard-Reaktion zu verwechseln, denn Caramel entsteht ganz ohne Anwesenheit von Proteinen nur aus Zucker; aber gerade in einem süssen Gebäck mit Zuckerkruste können natürlich beide Reaktionstypen parallel stattfinden.

Caramelisieren einer Crème brûlée

Die Zuckerkruste einer Crème brûlée wird unter starker Hitzeeinwirkung caramelisiert. Bild: CanStockPhoto

Vom Zucker zum Caramel

Zucker beginnt bei etwa 135 °C zu schmelzen, ohne sich zu verfärben. Ab etwa 150 °C beginnt das Caramelisieren, wobei Farbe und Geschmack sich ändern – das lässt sich zum Beispiel bei der Herstellung von gebrannten Mandeln oder gebrannter Crème schön beobachten. Bei 180–200 °C wird das Caramel goldbraun und entwickelt den typischen Caramelgeschmack.

Auch dabei finden parallel mehrere, noch nicht vollständig erforschte Reaktionen statt. Vereinfacht gesagt zerfällt der Zucker einerseits zu verschiedenen Produkten (Glukose, Fruktose, kleinere Produkte). Andererseits wird er entwässert, und die Kohlenhydrate verbinden sich zu verschiedenen Oligomeren. Alle diese Verbindungen sind für die Färbung und den typischen Caramel-Geschmack verantwortlich: Diacetyl hat einen buttrigen, Furane haben einen nussigen und Ester (z. B. Ethylacetat) einen süssen, rumähnlichen Geschmack. Caramel besteht aus mehreren Tausend verschiedenen Stoffen; der Ausgangstoff Zucker macht dabei nur 10% aus.

Nicht nur Aroma, sondern auch Farbstoff

Wird Caramel lange und stark erhitzt, zerfallen die Kohlenhydrate vollständig zu Wasser und Kohlenstoff – es verbrennt. Diesen Effekt kann man sich zunutze machen: Auf diese Weise wird nämlich Zuckercouleur hergestellt, eine schwarz-braune Lebensmittelfarbe aus caramelisiertem Glukosesirup.

Die leicht bittere Zuckercouleur kann tropfenweise zum Färben von Bratensauce und Glasuren verwendet werden und wird als Lebensmittelzusatzstoff E150 zahlreichen Lebensmitteln und Getränken beigegeben, zum Beispiel Cola, Whisky, Rum, Wurst, Konfitüre oder Saucen.

Ein Fläschchen Zuckercouleur

Zuckercouleur, eine schwarz-braune Lebensmittelfarbe, wird aus Caramel hergestellt. Bild: SKopp, Wikimedia Commons/CC-Lizenz

Erstellt: 19.11.2019
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