Tiere & Pflanzen

Die Mistel

Mistelzweig auf Holz-Hintergrund

Ein Mistelzweig als Weihnachtsdekoration. Bild: CanStockPhoto

Immergrün, magisch und botanisch aussergewöhnlich: Die Mistel ist ein besonderes Gewächs – und insbesondere in der Weihnachtszeit als Dekoration sehr beliebt.

Das kugelförmige "Nest" einer Mistel mit grünen Blättern in der laublosen Krone einer Silberpappel im Winter

Misteln wachsen auf den Zweigen anderer Bäume, hier zum Beilspiel in der Krone einer Silberpappel. Man erkennt ihre kugelförmigen „Nester“ besonders gut, wenn der Wirtsbaum im Winter keine Blätter trägt. Bild: Andrew Dunn via Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0

Die meisten Bäume in unseren Breitengraden verlieren im Winter ihre Blätter. Damit schützen sie sich vor dem Austrocknen: Denn über die Blattoberfläche verdunstet viel Wasser, und wenn der Boden gefriert, können die Wurzeln den Baum nicht mehr mit genügend Feuchtigkeit versorgen, um den Verlust auszugleichen.

Symbol für ewiges Leben

Nadelbäume jedoch, und einige wenige einheimische Laubgehölze, haben ihre Blattoberfläche und ihren Wasserhaushalt so angepasst, dass sie auch im Winter grün bleiben: der Buchsbaum zum Beispiel, die Stechpalme und auch die Mistel. Kein Wunder, dass die Menschen sie schon seit jeher als Symbole für Unvergänglichkeit und ewiges Leben betrachtet haben! Zusammen mit Christbaum und Adventskranz gehören sie zu den klassischen Weihnachtsdekorationen.

Die interessanteste dieser immergrünen Pflanzen ist vielleicht die Mistel. Von Asterix und Obelix wissen wir: Mistelzweige, mit einer goldenen Sichel geschnitten, sind für den Druiden Miraculix unverzichtbarer Bestandteil seiner Zaubertränke. Tatsächlich schrieben nicht nur die Kelten, sondern auch die alten Griechen und Germanen den Misteln magische Kräfte zu.

Misteldrossel in einem Zweig mit roten Beeren

Die Misteldrossel frisst nicht nur Mistelbeeren, sondern auch anderes Obst. Bild: AlunWilliams333/Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Botanisch hoch interessant

Das hängt wohl auch mit der speziellen Lebensweise der Mistel zusammen. Die europäische Mistel (Viscum album) wächst nämlich kugelförmig hoch oben auf Bäumen, scheinbar ohne Wurzeln oder eine andere sichtbare Verbindung zum Boden. Wurde sie von den Göttern dorthin gesät?

Die Antwort ist uns heute bekannt: Die Mistel ist ein sogenannter Epiphyt, also eine Pflanze, die nur auf den Ästen einer anderen Pflanze wachsen kann. Ihre weisslichen Beeren mit dem schleimigen Fruchtfleisch reifen im Dezember heran und werden von einigen spezialisierten Vogelarten – wie der Misteldrossel – gerne gefressen. Mit dem Kot der Vögel werden die Samen dann wiederum auf einem Ast abgesetzt.

Einige Bäume sind „mistelfest“, zum Beispiel Buchen, Eichen, Ulmen und Walnussbäume. Auf anderen Bäumen jedoch wächst der Keimling in die Rinde des Wirtsbaums hinein. Im Lauf der Jahre breiten sich die Wurzeln der Mistel im Gewebe ihres Wirts immer weiter aus und zapfen seine Wasser- und Mineralsalzvorräte an. Solange der Wirtsbaum lebt, ist die Mistel also nie in Gefahr zu verdorren! Ihre Sprosse wachsen sehr langsam und bilden erst nach sechs bis sieben Jahren zum ersten Mal Blüten. Die grossen Mistel-„Nester“, die man im Winter in den Kronen der kahlen Laubbäume erkennen kann, sind also mehrere Jahrzehnte alt.

Aufgeschnittene Mistelbeere

Das klebrige Fruchtfleisch einer Mistelbeere. Bild: Stefan.lefnaer/Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Da die Mistel auf ihren Wirt angewiesen ist, ist es für sie besser, wenn der Baum unter ihr nicht nachhaltig Schaden nimmt. Häufig kommt es jedoch dazu, dass der Ast jenseits der Ansatzstelle der Mistel vertrocknet. Ist ein Baum mit mehreren Misteln besetzt oder leidet er bereits unter Wassermangel, kann er wegen des Mistelbefalls sogar absterben. Dies kann in Apfelkulturen, wo Misteln sehr gut wachsen, zum Problem werden. Die Obstbäume werden daher regelmässig gepflegt und die Misteln Anfang Winter entfernt, so dass sie den Bäumen nicht schaden können.

Auch genetisch eine Besonderheit

Lange ging man davon aus, dass die Mistel ihrem Wirt „nur“ Wasser und Mineralsalze abzapft, da sie selbst grüne Blätter hat und Photosynthese betreibt, um sich mit Zucker zu versorgen. Doch Analysen des Mistel-Erbguts haben etwas Erstaunliches gezeigt: Einige wichtige Gene für die Zellatmung, die bei allen höheren Lebewesen vorhanden sind, fehlen bei der Mistel! Sie besitzt also nach heutigem Wissensstand gar nicht alle Enzyme, die zur Energieproduktion notwendig sind. Ob sie diese Enzyme ihrem Wirt abnimmt? Oder ist sie doch darauf angewiesen, von ihrem Wirtsbaum Zucker zu erhalten? Die Forschung in diesem Bereich geht weiter!

Weihnachtsbräuche rund um immergrüne Pflanzen

In den gemässigten Breiten der Nordhalbkugel fällt Weihnachten mitten in den Winter. Immergrüne Pflanzen bieten sich also als Dekoration an; sie werden aufgehängt oder Freunden geschenkt. Viele dieser Bräuche haben ihre Wurzeln in viel älteren, vorchristlichen Ritualen, die Geister fernhalten und den Menschen Glück bringen sollten.

Stechpalme: Die Stechpalme (englisch: holly) ist in England und Nordamerika eines der beliebtesten Weihnachtsmotive. Ihre leuchtend roten Beeren sind für Menschen giftig, für Vögel aber eine wichtige Nahrungsquelle im Winter. Das Grün und Rot der Stechpalmenzweige sind klassische Weihnachtsfarben.

Mistelzweig: Ebenfalls aus England kennen wir den Brauch, dass sich Pärchen unter einem Mistelzweig küssen. Ihre Liebe soll dann ewig halten (oder zumindest werden sie im nächsten Jahr heiraten). Eine andere Version des Brauchs besagt, dass man, wenn man unter einem Mistelzweig steht, ungefragt von jedem oder jeder geküsst werden darf. Im Sinne des Festtagsfriedens empfiehlt es sich aber vielleicht doch, dabei mit einem gewissen Taktgefühl vorzugehen …

Tannenbaum: Tannenzweige als Weihnachtsdekoration gab es bereits in der Renaissance, aber der geschmückte Weihnachtsbaum wurde erst ab dem 18. Jahrhundert populär. Er verbreitete sich von Deutschland aus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Nordamerika, England, Holland, Frankreich, Russland und Italien.

Stechpalmenzweig mit Beeren

Ein Stechpalmenzweig mit Beeren. Bild: CanStockPhoto

Erstellt: 15.12.2022
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