Technik & Materialien

Ein T-Shirt mit eingebautem Doktor

Ein Textil-Sensor

Ein Textil-Sensor: Die Plastikfolie mit Mikrochips (schwarze Punkte) wurde mit einer gewöhnlichen Webmaschine in den Stoff eingewoben. Bild: ETH Zürich

Jährlich erleiden in der Schweiz tausende von Menschen einen Herzinfarkt. Je schneller ein Patient ins Spital gebracht wird, desto höher sind seine Überlebenschancen und desto tiefer ist die Gefahr von bleibenden Schäden. Doch was ist, wenn niemand da ist, der einen Arzt rufen kann? Intelligente Textilien könnten diese Aufgabe übernehmen.

Winzige Sensoren in den Kleidern würden dann den Puls fühlen, den Kreislauf überwachen und die Körpertemperatur messen. Wenn plötzlich erste körperliche Anzeichen für einen bevorstehenden Infarkt auftreten, würde der Träger sofort gewarnt. Falls der Puls auf einen Schlag ausbleibt, könnte die Elektronik sogar selbständig einen Notruf auslösen.

Eingewobene Mikrochips

An Technologien für solch intelligente Textilien forscht Professor Gerhard Tröster vom «Wearable Computing Lab» der ETH Zürich. Sein Ziel: Die hilfreiche Elektronik soll nicht in Form von einzelnen Komponenten in Stoffe eingenäht, sondern direkt bei der Herstellung in die Kleider eingewoben werden. Dadurch könnten Hersteller die «intelligenten» T-Shirts auf handelsüblichen Webmaschinen in Massen produzieren und die Kosten tief halten. Denn wahrscheinlich wird auch in Zukunft niemand bereit sein, mehrere hundert Franken für ein T-Shirt zu bezahlen.

Die eingewobenen LED-Lämpchen geben Auskunft über den Stoff

Die eingewobenen LED-Lämpchen geben Auskunft über die Feuchtigkeit und Wärme des Stoffs. Bild: ETH Zürich

Tröster zeigt ein kurzes, schwarz-weisses Stoffband. Darin verwoben sind einzelne leuchtende Plastikstreifen. Bei genauerem hinsehen erkennt man auf dem Streifen winzige schwarze Punkte. Das sind kleine Epoxy-Kunststoff-Tropfen, unter denen ein Sandkorn-grosser Mikrochip liegt. Die Forscher haben die Mikrochips in einem billigen Standardverfahren auf eine dünne Plastikfolie «gedruckt». Danach wurde die Folie in feine Streifen geschnitten und die elektronischen «Fäden» mit einer gewöhnlichen Webmaschine in den Stoff eingewoben. Durch die schwarze Kunststoff-Abdeckung werden die Chips wasserfest; der Stoff kann deshalb mit einer Waschmaschine gewaschen werden. Je nach Art des Chips und den darin integrierten Sensoren, misst das Textil Bewegung, Temperatur oder Durchblutung seines Trägers.

Die Mikrochips zeichnen die Daten aber lediglich auf; ausgewertet werden sie woanders: Über einen kleinen Sender, der ebenfalls auf dem winzigen Kunststoff-Streifen aufgebracht ist, werden sie dazu an einen externen Computer, zum Beispiel ein Smartphone, geschickt. Der Träger eines intelligenten T-Shirts könnte sich somit jederzeit über seinen aktuellen Körperzustand informieren. Alternativ liesse sich ein Minicomputer zur Auswertung auch in einen Knopf einbauen, zum Beispiel bei einer Jacke.

Für Abgasreinigung und mehr Sitzkomfort

Die Wissenschaftler arbeiten nun mit Textilproduzenten zusammen, um erste Anwendungen des Systems zu testen. Tröster glaubt jedoch, dass die intelligenten Stoffe nicht zuerst in Kleidern, sondern im Bereich der Hochleistungs-Textilien genutzt werden. So zum Beispiel bei Textilfiltern für die Blutwäsche im Spital oder entsprechenden Filtern für die Abgasreinigung. Die eingewobenen Sensoren könnten dann die Filterleistung überwachen sowie Verstopfungen und den idealen Zeitpunkt für einen Filterwechsel melden. Eine andere mögliche Anwendung sehen Experten in Auto- oder Flugzeugsitzen: Dort könnten die Sensoren Herzschlag und Körpertemperatur von Fahrgästen aufzeichnen und ein zentraler Computer würde daraufhin die Umgebung automatisch an deren momentane Befindlichkeit anpassen. Wann wir uns das erste Mal in solche kommunizierende Sessel setzen werden oder Herzinfarkt-Risikopatienten ein T-Shirt mit integrierter Überwachung kaufen können, darüber will Tröster nichtmutmassen. Was er aber mit Sicherheit weiss: «Das elektronische Zeitalter wird in den kommenden Jahren auch Textilien und die Mode verändern.»

Text: SATW / Samuel Schläfli

Quelle: Technoscope 2/11: Funktionelle Textilien

Technoscope ist das Technikmagazin der SATW für Jugendliche

 

Erstellt: 04.02.2013

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