Forschertagebücher

Erlebnisbericht Syngenta: Vom Wirkstoff-Screening bis zur Mykothek

Agarplatten mit Pilzmyzelien im blau-violetten Licht einer UV-Lampe

Pilzkulturen werden unter einer UV-Lampe inkubiert. Bild: Julia Bassili

Anlässlich des 55. Nationalen Wettbewerbs von „Schweizer Jugend forscht“ habe ich zu meiner grossen Freude für meine Arbeit „Die antibakterielle Wirkung ätherischer Öle“ den SimplyScience-Sonderpreis erhalten. Darin inbegriffen war ein mehrtägiges Forschungspraktikum, das ich im Syngenta-Forschungszentrum in Stein (AG) absolvierte.

Das Syngenta-Forschungszentrum in Stein beschäftigt sich mehrheitlich mit Pflanzenschutzmitteln und umfasst mehrere Forschungsbereiche: Insektizide, Saatgutbehandlung, Boden (und wie dessen Inhaltsstoffe, Mikrobiota und Struktur die Wirkung der Pflanzenschutzmittel beeinflussen), abiotisches Stress-Management (z. B. verbesserte Toleranz gegenüber Trockenheit) und Fungizide. Letzterer Bereich wird auch „Disease Control“ genannt und ist derjenige, in den ich während drei Tagen einen äusserst spannenden Einblick erhalten durfte.

Junge Frau bei der Arbeit an einer Sterilbench

Julia Bassili beim Inokulieren von Agarplatten mit verschiedenen Pilzstämmen. Bild: Julia Bassili

Die Screening-Kaskade

In den ersten beiden Tagen wurde ich durch die verschiedenen Etappen der Screening-Kaskade geführt. Damit bezeichnet man die vielen verschiedenen Forschungsschritte und Experimenttypen, die zur Selektion von geeigneten „Kandidaten“ für neue Fungizide durchgeführt werden. Jährlich werden 10’000 bis 30’000 Substanzen getestet, wovon nur eine bis zwei den Marktzugang finden. Der gesamte Forschungs- und Entwicklungsprozess dauert im Schnitt 10–12 Jahre und kostet eine knappe Viertelmilliarde Franken!

Im DES (Discovery Early Screen) werden Substanzen in vitro zum ersten Mal auf eine mögliche antimykotische Wirkung untersucht. Diejenigen, die eine gewisse Wirkung zeigen, durchlaufen danach das MPS (Microprofiling Screen). Dort werden Experimente sowohl in vitro als auch in planta (auf kleinen Pflanzenstücken) in einem grösseren Massstab durchgeführt. Während im MPS noch 300 Substanzen pro Woche getestet werden, sind es im nächsten Schritt, dem WPS (Whole Plant Screen), nur noch 25 bis 40. Im WPS werden die Substanzen an ganzen, meist nur sehr kleinen Pflanzen getestet. Anschliessend werden bei der Foliar Comparison and Characterization unterschiedliche Aspekte wie die Langzeitwirkung, Lichtstabilität, Regenbeständigkeit etc. des Wirkstoffs untersucht. Zudem lässt man in diesem Schritt schon die Pilzstämme mutieren, damit diese Isolate gegen das getestete Fungizid Resistenzen bilden. Somit kann man abschätzen, welche Resistenzen wohl am ehesten in der Natur gebildet werden, und ist diesem Problem einen Schritt voraus. Zum Schluss werden Field Trials durchgeführt, d. h. Tests an ganzen Pflanzen auf einem grossen Feld, mit Applikationen und Bedingungen wie in der regulären Landwirtschaft. Hat ein Wirkstoff alle Etappen der Kaskade erfolgreich durchlaufen, übernimmt ein Team in der Entwicklungsabteilung – diese ist in Basel.

Ich wurde unter anderem durch die Labors, Applikationshallen, Gewächshäuser und Klimakammern (wo spezielle und konstante Bedingungen simuliert werden) geführt.  Bei den Experimenten durfte ich in folgenden Etappen mithelfen: bei der Herstellung von Verdünnungsreihen und in planta-Versuchen fürs MPS sowie deren Auswertung und ausserdem bei der Applikation, Inokulation und Auswertung von WPS-Versuchen. Fasziniert haben mich die hochentwickelten Maschinen, durch die (fast) alle Schritte der Versuchsreihen automatisiert und in einem viel grösseren Massstab durchgeführt werden können als ich ihn aus meinen Laborarbeiten gewohnt war und mir vorher vorstellen konnte. Interessant finde ich auch, dass immer mehr Experimente mit Hilfe der Informatik – mit deep-learning – durchgeführt und ausgewertet werden können.

Sechs Agarplatten mit verschiedenen Pilzmyzelien

Sammlung verschiedener Pilzarten, bereit zum Mikroskopieren. Bild: Julia Bassili

„Biologicals“: Naturstoffe mit nutzbringenden Eigenschaften

Als besonders spannend empfand ich das Gespräch mit Dr. Nuria Bonilla-Ruiz. Sie ist Biologin und ist als Scientific Expert für die Experimente zu den „Biologicals“ zuständig. Im Gegensatz zu den „Chemicals“ (chemisch synthetisierte Stoffe) sind „Biologicals“ Derivate von natürlichen Stoffen. Die Forschung dazu hat in den letzten Jahren aufgrund der Nachfrage nach Naturstoffen einen starken Aufschwung erlebt. Beispiele hierfür sind ätherische Öle oder Bakterien, wovon es schon einige Produkte auf dem Markt gibt. Bestimmte (für Pflanzen harmlose) Bacillus-Arten haben den Vorteil, dass ihre Wirkung als sogenanntes „Biocontrol“ meist auf drei verschiedene Mechanismen zurückzuführen ist. Sie können den Befall von pathogenen Pilzen durch chemische Inhibition mit Metaboliten verhindern oder fungieren als physische Barriere, da sie meist um die Wurzeln oder auf den Blättern wachsen und somit mit den Pathogenen um Platz und Nährstoffe konkurrieren. Sie können ausserdem als Katalysator für die Entwicklung von pflanzeneigenen Abwehrmechanismen (z. B. dickerer Zellwände oder Produktion von Abwehrstoffen) durch epigenetische Prozesse wirken. 

Leider sorgen auch bakterielle Pflanzenkrankheiten für immer grössere Besorgnis. Das Problem ist, dass die Zulassung für antibakterielle Wirkstoffe bedeutend schwieriger als für antimykotische Wirkstoffe ist, da bakterielle Resistenzgene einfacher ausgetauscht und mit humanpathogenen Bakterien interagieren könnten, was in Anbetracht des weltweiten Problems von Multiresistenzen gefährlich wäre.

Eine Bibliothek für Pilze

Am dritten Tag erhielt ich einen spannenden Einblick in die Mykothek. Diese Abteilung ist für die Kultivierung und Aufbewahrung aller Pilzstämme zuständig, die für die Experimente der Teams im „Disease Control“ benötigt werden. In Stickstoff-Tanks werden über 2000 Stämme von mehr als 500 Arten gelagert und können bei Bedarf wieder aufgetaut und kultiviert werden. In grossen Klimaschränken werden die Pilze inkubiert: Man kann die optimale Temperatur und Luftfeuchtigkeit einstellen, sie bei Helligkeit oder Dunkelheit inkubieren oder sogar in UV-Schränke legen, weil einige Pilze so besser sporulieren. Ich konnte beim Herstellen und Giessen von Nährmedien und beim Inokulieren von Agarplatten mit verschiedenen Pilzstämmen helfen. Zum Abschluss durfte ich sechs verschiedene Pilzarten sowohl unter dem Auflichtmikroskop als auch dem Lichtmikroskop betrachten. Die komplexe Struktur der Myzelien und die vielfältigen Sporenformen sind absolut faszinierend!

Ich habe in diesen drei Tagen so viel Neues gelernt und habe einen extrem spannenden und vielfältigen Einblick in diesen Forschungsbereich erhalten, über den ich vorher kaum etwas wusste. Dieses Praktikum hat meine Faszination für die Mikrobiologie noch weiter gestärkt. An dieser Stelle möchte ich mich nochmals herzlich bei SimplyScience und beim ganzen Disease-Control-Team von Syngenta für die Ermöglichung eines solch tollen Erlebnisses bedanken!

Quelle: Julia Bassili, Praktikantin
Erstellt: 28.10.2021
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