Körper & Gesundheit

Intelligenz: Nur eine Frage der Gene?

Gehirn (künstlerische Darstellung)

Forscher rund um James Lee haben über 1200 Gene gefunden, die einen Einfluss auf die Intelligenz haben. Die meisten davon spielen eine Rolle in der Entwicklung unseres Gehirns. Bild: CanStockPhoto

Wer ist der intelligenteste Mensch, den es je gegeben hat? Die meisten Leute antworten auf diese Frage mit „Albert Einstein“ oder mit dem Namen anderer Nobel-Preisträger wie Marie Curie. Zwar ist unbestritten, dass es sich bei diesen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um überdurchschnittlich intelligente Menschen handelt, doch woher kommt dieses überragende Denkvermögen? Ist es fest verankert in unseren Genen oder ist Intelligenz etwas, das man lernen kann?

Ist Intelligenz vererbbar?

Wenn man von Vererbbarkeit spricht, so denkt man automatisch an das Erbgut in unseren Zellen: die DNA. In unserer DNA sind Merkmale wie die Haar- oder Augenfarbe in der Form von Genen und deren Varianten, auch „Allele“ genannt, vordefiniert. Zwar gibt es einige Merkmale, die nur von einem einzigen Gen bestimmt werden – z. B. unsere Blutgruppe oder das Anwachsen der Ohrläppchen – aber die allermeisten erblichen Merkmale werden durch mehrere, wenn nicht sogar hunderte von Genen bestimmt. Zu diesen polygenen Merkmalen gehört auch die Intelligenz. Forscher rund um James Lee haben in einer grossflächigen Studie mit über einer Million untersuchter Personen mehr als 1200 Gene und deren Allele identifiziert, welche einen Einfluss auf die Intelligenz einer Einzelperson haben. Bei den meisten dieser Gene handelt es sich um Komponenten, die für die Entwicklung des Hirns und für die Kommunikation zwischen Hirnzellen wichtig sind. Damit konnten sie zeigen, was viele Experten schon lange vermuteten: Unsere Intelligenz ist zumindest zu einem gewissen Teil durch unser Erbgut vorbestimmt. Mit der Entdeckung der „Intelligenz-Gene“ haben Lee und seine Kollegen das Forschungsgebiet einen grossen Schritt weitergebracht. Gleichzeitig zeigt die Studie aber auch, wie komplex die Frage nach der Erblichkeit von Intelligenz ist.

Asiatische Zwillingsbuben

Anhand von Studien mit eineiigen Zwillingen konnte gezeigt werden, dass Intelligenz zwar eine erbliche Komponente hat, aber nicht allein durch das Genom bestimmt wird. Bild: CanStockPhoto

Was man anhand von Zwillingspaaren über Intelligenz lernen kann

Wenn das Denkvermögen eines Menschen einzig und allein durch seine genetische Ausstattung bestimmt würde, so müssten alle eineiigen Zwillinge genau dasselbe Niveau an Intelligenz erreichen, da sie 100% ihrer Gene teilen. Dies ist nicht der Fall, und es zeigt uns, dass äussere Einflüsse wie das Umfeld, in welchem man aufwächst, ebenfalls einen grossen Einfluss auf unsere mentalen Fähigkeiten haben. Indem Forscher den Zusammenhang zwischen dem IQ-Wert von eineiigen und zweieiigen Zwillingen verglichen haben, konnten sie berechnen, dass die Intelligenz eine Erblichkeit von ca. 50% aufweist.

Intelligenz-Gene: mehr oder weniger wichtig je nach sozialem Status?

Wenn man versucht zu quantifizieren, welchen Einfluss die Gene bzw. die Umwelt auf die Intelligenz eines Menschen haben, so gibt es viele Faktoren, die man in Betracht ziehen muss. Insbesondere beeinflussen soziale Aspekte sehr stark, ob Intelligenzunterschiede eher auf genetische Varianten oder auf ein unterschiedliches Umfeld zurückzuführen sind. Innerhalb von sozial höher gestellten Schichten haben die Gene einen grösseren Einfluss auf die Intelligenz, weil die meisten Menschen innerhalb dieser Schicht in einem gut ausgestatteten Umfeld aufgewachsen sind, wo ihnen fundierte Möglichkeiten geboten wurden, ihr genetisches Potential auszuschöpfen. In schlechter gestellten Schichten hingegen sind Unterschiede zwischen Individuen grösstenteils auf die Umwelt zurückzuführen, da die Möglichkeiten, einen bestimmten Bildungsstand zu erreichen, stark eingeschränkt sein können. Kurz gesagt: Je besser die Grundbildung, desto grösser der Einfluss der Gene.

Schlaue Eltern – schlaue Kinder?

Ist denn Intelligenz nun vererbbar oder nicht? Diese Frage lässt sich wohl am besten beantworten mit einem „Ja, aber…“. Zwar spielt die genetische Ausstattung eine gewisse Rolle dafür, wie intelligent du bist, aber der Einfluss des Umfeldes spielt ebenfalls eine grosse Rolle. Es reicht also nicht aus, intelligente Eltern zu haben, um selbst auch schlau zu sein. Man kann die genetische Komponente der Intelligenz gewissermassen als „Talent, schlau zu sein“ anschauen. Wie andere Talente muss auch die Intelligenz durch gezieltes Training entwickelt und gefördert werden, um ihr volles Potential zu erreichen. Aus dieser Tatsache kann man zwei Schlüsse ziehen: Zum einen werden zwei Menschen, die sich gleich stark einsetzen und ihre Intelligenz trainieren, am Schluss nicht unbedingt gleich schlau sein, da genetische Unterschiede bestehen. Zum anderen ist eine gute genetische Grundlage kein Freipass dafür, sich auf die faule Haut zu legen – ohne Training entwickelt ein Mensch auch mit gutem Grundpotential keine überdurchschnittliche Intelligenz.

Der IQ-Wert als Messgrösse der allgemeinen Intelligenz

Der Intelligenzquotient – oder kurz IQ-Wert – ist ein weitverbreitetes Mass, um Intelligenz zu messen. Er misst vor allem das sogenannte „intellektuelle Leistungsvermögen“ einer Person. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit einer Person, ein logisches oder sprachliches Problem zu lösen.

Es gibt aber auch ganz andere Arten, auf die ein Mensch besonders intelligent sein kann, wie z. B. die emotionale Intelligenz. Im Gegensatz zur allgemeinen Intelligenz wird damit die Fähigkeit eines Menschen beschrieben, eigene Gefühle und diejenigen anderer Personen korrekt wahrnehmen und interpretieren zu können und darauf angemessen zu reagieren.

Erstellt: 04.01.2022
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