Zellen & Moleküle

Mykorrhiza – Basar im Boden

Mykorrhiza

Auch im Jahr 2015 kann der Mensch auf diese funktionierende Wirtschaftsbeziehung zählen: Wurzel (gelb) und Pilz (grün). Bild: Jan Jansa

Die Wirtschaftskreisläufe im Boden sind nachhaltig und langfristig zukunftsfähig. Eine spezielle Handelsbeziehung besteht zwischen Pilzen und Pflanzenwurzeln.

Im Boden geht es zu wie auf einem Basar. Im Angebot stehen Produkte und Dienstleistungen. Käufer sind beispielsweise Bäume, Kräuter und Gräser. Sie suchen mit ihren Wurzeln nach Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor.

Ihr wichtigster Handelspartner sind die Pilze. Diese reichen mit ihren feinen Fäden in die kleinsten Bodenporen und gelangen dort an Nährstoffe, die für Pflanzenwurzeln unzugänglich sind. Bezahlen lassen sich die Pilze mit Zucker, den sie nicht selbst herstellen können. Für den Tauschhandel docken sie an den Wurzeln an und umhüllen sie mit einem dichten Fadengeflecht. Die Geschäfte werden im Inneren des Pilzmantels abgewickelt.
80 Prozent aller Landpflanzen leben in einer solchen Lebensgemeinschaft (Symbiose), die als Mykorrhiza ("verpilzte Wurzel") bezeichnet wird. Unter den circa 2000 Mykorrhiza-Pilzen, die in der Schweiz bisher nachgewiesen wurden, befinden sich eine Reihe wertvoller Speisepilze wie Steinpilz und Eierschwamm. Interessanterweise treiben die Wurzelpilze auch Handel mit jungen Bäumen, die nur wenig Zucker ausscheiden, aber Kunden von morgen sind.

Wertvolle Dienstleistungen

Marcel van der Heijden von der Forschungsanstalt Agroscope konnte zusammen mit anderen Wis-senschaftlern nachweisen, dass Pflanzen in natürlichen Ökosystemen einen Grossteil des Phosphors und Stickstoffs über das Netzwerk erhalten; viele Pflanzen sind dabei gleichzeitig mit mehreren Pilzen verbunden. Doch nicht nur wildlebende Pflanzen profitieren von der Symbiose. Dank den Bodenpilzen und anderen Bodenorganismen wie Regenwürmern können Landwirte deutlich höhere Maisernten erreichen.

Die Wurzelpilze haben nicht nur Produkte im Angebot, sondern auch Dienstleistungen. So schützt der Pilzmantel die Wurzeln wie ein Filter vor Krankheitserregern und Schadstoffen. Zudem verbessert er die Wasseraufnahme und macht seine Partner resistenter gegen Trockenheit.

Im Rahmen eines vom Nationalfonds finanzierten Projekts hat van der Heijden weitere Dienstleistungen aufgedeckt, die die Pilze gratis erbringen. Dazu gehört der Gewässerschutz: Die Pilze und andere Bodenorganismen halten fast 50 Kilogramm Stickstoff pro Hektare zurück, die ohne die Lebewesen in das Grundwasser oder den nächstgelegenen Bach gelangen und dort zu unerwünscht hohen Nitratgehalten führen würden. In neuen Experimenten wurde gezeigt, dass die Pilze auch den Ausstoss von Lachgas aus dem Boden um über einen Drittel reduzieren können, und damit ein wichtiger Faktor in der Klimadebatte darstellen; denn Lachgas ist ein hochpotentes Treibhausgas und 298-mal wirksamer als Kohlendioxid.

Wurzelpilze als Handelspartner

Der Mensch belohnt die Arbeit der Pilze nicht immer gut. Zu hohe Düngereinträge, zu häufige Bodenbearbeitung, Pestizide und stickstoffhaltige Schadstoffe, die jedes Jahr über die Luft in die Böden gelangen, können die Bodenorganismen schädigen. Vielerorts ist das Wachstum der Pilzfäden massiv reduziert, die Pilze sind auf dem Rückmarsch. Dies kann negative Folgen für die Ernteerträge, die oberirdische Artenvielfalt und die Gesundheit der Waldbäume haben. Van der Heijden plädiert deshalb dafür, lieber mit den Pilzen zu arbeiten als gegen sie, und den Markt im Boden für den Menschen zu erschliessen – ganz im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaftsweise.

Das Jahr 2015 wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Böden erklärt. Um die Bedeutung der Bodenlebewesen für den Menschen sichtbar zu machen, stellten das Bundesamt für Umwelt BAFU und das Nationale Forschungsprogramm "Ressource Boden" (NFP 68) jeden Monat einen Organismus vor.

Erstellt: 22.08.2014
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