Körper & Gesundheit

Schläft man in Vollmondnächten wirklich schlechter?

Vollmond, umgeben von Wolken

Bild: Can Stock Photo

Man könnte es als Aberglauben abtun, aber wissenschaftliche Studien liefern tatsächlich Hinweise darauf, dass man in Vollmondnächten schlechter schläft. Der Grund könnte eine innere Uhr sein, die mit dem Mondzyklus synchronisiert ist.

Illustration der Mondphasen

Die Phasen des Mondes im Verlauf eines Monats. Bild: Can Stock Photo

Nicht selten hört man Leute davon sprechen, dass sie bei Vollmond weniger gut schlafen. Reiner Zufall? Oder gibt es tatsächlich einen biologischen Grund dafür, wenn wir uns in Vollmondnächten im Bett hin und her wälzen und nicht schlafen können? Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interessieren sich jedenfalls für dieses Thema, und sie versuchen, den Einfluss des Mondes auf den menschlichen Schlaf zu messen – und vielleicht sogar zu erklären.

Eine erstaunliche Entdeckung

An einem Vollmondabend, es war vor über 10 Jahren, kommt in einer Bar in Basel ein Team von Schlafforschern auf eine Idee, die vorerst als Scherz gedacht ist: man könnte versuchen herauszufinden, ob der Mondzyklus einen Einfluss auf den menschlichen Schlaf hat oder nicht. Die Forscherinnen und Forscher haben bereits Daten von 33 Freiwilligen gesammelt, um den Einfluss verschiedener Faktoren auf die Schlafqualität zu messen. Um nun den Einfluss des Mondzyklus zu untersuchen, können sie dieselben Daten erneut verwenden und die Mondphase des betreffenden Tages auf einem Kalender überprüfen. Die Überraschung ist gross: Die Daten deuten eindeutig darauf hin, dass der Schlaf in Vollmondnächten beeinträchtigt war – abzulesen an einer Veränderung der Wellen von elektrischer Spannung im Gehirn, einem niedrigeren Spiegel des „Schlafhormons“ Melatonin, einer um fünf Minuten verlängerten Einschlafzeit und einer um 20 Minuten kürzeren Gesamtschlafzeit. Auch das subjektive Empfinden der Probanden deutet auf einen schlechteren Schlaf hin. Angesichts dieser Neuauswertung der Schlafdaten veröffentlicht das Basler Team 2013 einen wissenschaftlichen Artikel, in dem es über seine Entdeckung berichtet.

Junge Frau liegt im Bett im dunklen Schlafzimmer, brennende Nachttischlampe

Nicht in jeder Nacht schlafen wir tief und ruhig. Hat der Mond einen Einfluss auf unsere Schlafqualität? Bild: CanStockPhoto

Übereinstimmung mit anderen Studien

Seit diesem Artikel haben sich auch andere Forschungsteams mit den Auswirkungen der Mondphasen auf den menschlichen Schlaf befasst. Eine in Schweden durchgeführte Studie zeigt anhand einer Untersuchung von 47 Versuchspersonen ähnliche Ergebnisse wie die Basler Studie: kürzere Schlafzeit und gestörte Schlafphasen in Vollmondnächten. Sie enthält zudem eine zweite Beobachtung, dass nämlich die Schlafqualität bei Neumond ebenfalls schlechter sein könnte – allerdings war dieser Effekt weniger ausgeprägt. In einer dritten Studie aus dem Jahr 2021 schliesslich analysierte ein amerikanisches Team den Schlaf bei einer grösseren Anzahl von Personen, indem sie Daten von argentinischen indigenen Gemeinschaften und 464 amerikanischen Studierenden sammelten. Wie die beiden vorangegangenen Studien deutet auch diese auf eine Abhängigkeit des Schlafs vom Mondzyklus hin, wobei der Schlaf in Vollmondnächten schlechter ist.

Auf der Suche nach einer Erklärung

Welche Gründe könnte es dafür geben? Beeinflusst das Licht des Mondes unseren Schlaf? Anscheinend nicht, denn auch wenn manche Menschen Mondlicht beim Schlaf als störend empfinden, war bei den drei oben erwähnten Studien der Raum, in dem die Versuchspersonen schliefen, dunkel und fensterlos.

Könnte die Gravitationskraft des Mondes eine Wirkung haben? Es ist bekannt, dass die Anziehungskraft des Mondes einen Einfluss auf die Erde und insbesondere auf die Wassermassen hat; die Gezeiten sind ein Beispiel dafür. Doch diese Anziehungskraft wirkt auf den einzelnen Menschen so schwach, dass auch diese Erklärung ausgeschlossen werden kann.

Mehrere heulende Wölfe in der Dämmerung auf einer Wiese am Waldrand

Wölfe und Hunde heulen nicht den Mond an; sie heulen auch in mondlosen Nächten, um mit ihren Artgenossen zu kommunizieren. Doch im hellen Licht des Vollmonds sind die Tiere möglicherweise öfter unterwegs – und man sieht sie besonders gut … Bild: Meles1/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Ein innerer Mondzyklus?

Man geht zurzeit also einer anderen Hypothese nach: Der Mensch könnte eine Art innere Uhr besitzen, die sich nach den Mondphasen richtet und somit einen Zyklus von etwa 28.5 Tagen aufweist. Diese Uhr würde bestimmte biologische Parameter wie den Melatoninspiegel verändern und zu unterschiedlicher Schlafqualität im Verlauf des Zyklus führen. Eine solche sogenannte „zirkalunare Uhr“ (im Gegensatz zur „zirkadianen Uhr“, die den Tagesrhythmus bestimmt) ist übrigens bei Tierarten wie dem Dachs oder bestimmten wirbellosen Meerestieren schon festgestellt worden.

Sollte sich diese Hypothese der inneren Uhr als richtig erweisen, würde sich eine letzte Frage stellen: Warum sollte der menschliche Körper eine innere Uhr entwickelt haben, die genau mit dem Mondzyklus synchronisiert ist? Die Gründe dafür könnten weit zurück in der Evolution liegen. Die Helligkeit des Mondes kommt in der Natur jagenden Raubtieren zugute. Daher wäre es ein evolutionärer Vorteil, in Vollmondnächten weniger müde zu sein – entweder um selbst zu jagen oder um den zahlreichen herumschleichenden Raubtieren zu entgehen. Die zirkalunare Uhr wäre also ein Überbleibsel unserer Evolution, das es uns einst ermöglichte, in Vollmondnächten wach zu bleiben und so unsere Überlebenschancen zu erhöhen.

Wenn du also wieder einmal unter Schlaflosigkeit leidest und den Mond dafür verantwortlich machst, schau die Situation aus einem anderen Blickwinkel an: Immerhin liegst du in einem warmen Bett und bist nicht, wie deine Vorfahren, draussen auf der Jagd und kämpfst ums Überleben ...

Text: Redaktion SimplyScience.ch

Quellen:
Cajochen, Christian, Dort-on moins bien les nuits de pleine lune ? Cerveau & Psycho 2020/11 (N° 127), pages 86 à 87.
Cajochen, Christian, et al. Evidence that the lunar cycle influences human sleep. Current biology 23.15 (2013): 1485-1488.
Smith M, Croy I, Persson Waye K. Human sleep and cortical reactivity are influenced by lunar phase. Curr Biol. 2014 Jun 16;24(12):R551-R552. doi: 10.1016/j.cub.2014.05.018. PMID: 24937276.
Casiraghi, L., Spiousas, I., Dunster, G. P., McGlothlen, K., Fernández-Duque, E., Valeggia, C., & de la Iglesia, H. O. (2021). Moonstruck sleep: Synchronization of human sleep with the moon cycle under field conditions. Science Advances, 7(5), eabe0465.
Jay Summer. Do moon phases affect sleep? abgerufen 11 avril 2022.

Erstellt: 11.01.2023
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