Zellen & Moleküle

Was macht eigentlich ein Aromatiseur?

Parfums und Aromen werden gemischt

Genau wie eine Parfumeurin mischt eine Aromatiseurin verschiedene Extrakte im Labor. Bild: CanStockPhoto

Seit wir unsere Lebensmittel immer seltener direkt vom Bauernhof beziehen, sondern in mehr oder weniger verarbeiteter Form im Supermarkt einkaufen, gibt es eine ganze Industrie für die Verarbeitung von Nahrungsmitteln. Dabei spielen zugesetzte Aromen oft eine wichtige Rolle. Die Herstellung, Mischung und Anwendung von Aromen ist sowohl eine kreative als auch eine wissenschaftliche Aufgabe – die Aufgabe des Aromatiseurs.

Aromatiseure spielen mit Molekülen, den winzigen Teilchen in einem Lebensmittel, die von unserer Nase als Geruch und auf der Zunge als Geschmack wahrgenommen werden. Ihre Arbeit bewegt sich zwischen Gastronomie und Chemie: Von den Chemikerinnen werden Nahrungsmittel analysiert und einzelne Aroma-Moleküle isoliert, während die Köche ihre Vorstellung von einem idealen Geschmack einbringen. Aus der Palette von einzelnen Aromen komponieren die Aroma-Fachleute dann die passende Mischung für jedes Nahrungsmittel.

Dabei ist vieles eine Frage des Geschicks bei der Dosierung, denn zahlreiche Moleküle in dieser Palette haben in Wahrheit mehrere Seiten. Ein spannendes Beispiel ist das Molekül mit dem Namen Thioacetylsylvan. Es kommt natürlicherweise in der Passionsfrucht oder bestimmten Traubensorten vor, und tatsächlich schmeckt es in kleinen Mengen nach exotischen Früchten. Bei etwas höherer Konzentration enthüllt das Molekül ein Schokoladenaroma. Der eigentliche Verwendungszweck dieses Aromas bei voller Dosierung ist jedoch ein ganz anderer: Dann riecht es nach gebratenem Speck und wird gebraucht, um den Geschmack von Rind- oder Pouletfleisch nachzuahmen! Selbst ein einzelnes Molekül kann also bereits ganz unterschiedliche Perspektiven eröffnen.

Von der Komposition zur aromatischen „Performance“

Aroma-Fachleute müssen neugierig und weltoffen sein und sich damit auskennen, was in verschiedenen Ländern gern gegessen wird. So können Lebensmittel auf unterschiedliche Märkte abgestimmt werden. In Deutschland mag man beispielsweise Erdbeergeschmack, während man in Italien oder gar in China gut darauf verzichten kann. Es braucht einiges an Erfahrung, um den „idealen Geschmack“ für ein Produkt zusammenzumischen, doch damit ist die Arbeit nicht abgeschlossen: Eine Aroma-Expertin muss auch die „Performance“ eines Geschmacks kontrollieren, also deine Empfindung in dem Moment, in dem du das Lebensmittel verzehrst.

Für die Performance eines Aromas, also wie ein Aroma wirkt, sind mehrere Faktoren ausschlaggebend: Einerseits die Zusammensetzung des Nahrungsmittels, in dem das Aroma verwendet wird, andrerseits aber auch seine Fabrikationsetappen, die Dauer und Bedingungen seiner Aufbewahrung, seine Zubereitungsart und schliesslich die Art, wie es konsumiert wird – kurz, der ganze Weg, den das Produkt von der Fabrik, wo das Aroma zugesetzt wurde, bis zu deinem Teller zurücklegt.

Teetasse

Die Aromen des Tees müssen genau dann freigesetzt werden, wenn er ins heisse Wasser taucht. Bild: CanStockPhoto

Jedes Lebensmittel besitzt einen Ausgangsgeschmack, es enthält mehr oder weniger Fette oder Zucker, und es hat eine bestimmte Textur, ist also zum Beispiel knackig, cremig oder krümelig. All dies sind Elemente, die unsere Wahrnehmung des Aromas verändern können. Daher werden ganz unterschiedliche „Vanille“-Aromen komponiert, je nachdem ob sie bestimmt sind für ein Vollfettjogurt, ein Jogurt mit 0% Fettanteil, einen Tee oder gar für einen Kaugummi.

Tee muss über lange Zeit aufbewahrt werden können, ohne seinen Geschmack zu verlieren, und er soll dabei einen subtilen Vanillegeruch freisetzen. Andererseits darf er sein volles Aroma erst in jenem Moment entfalten, in dem er ins heisse Wasser eintaucht. Und die Art des Verzehrs spielt ebenfalls eine grosse Rolle. So besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen einem Tee oder Jogurt, die wir in kurzer Zeit zu uns nehmen, und einem Kaugummi mit Vanillegeschmack, den man minutenlang kauen möchte, der also seine Aromen lange behalten muss. Dies ist eine Herausforderung für den Aromatiseur.

Jedes Molekül, das ein Bestandteil eines Aromas werden soll, wird deshalb nach seinen physikalisch-chemischen Eigenschaften ausgesucht. Zu diesen Eigenschaften zählen seine Flüchtigkeit, also wie leicht es verdunstet, und seine Löslichkeit, abhängig von der Textur und der chemischen Struktur des Basis-Nahrungsmittels. Wissenschaftler studieren dann, wie das Aroma sich im Lebensmittel verhält. Dazu erstellt man Testreihen, die seine Verwendungsbedingungen im realen Leben nachstellen, denn nur so kann die Performance des Aromas sichergestellt werden.

Verkapselung: Wie man „schnelle“ und „langsame“ Aromen erzeugt

Orangenschale

Die Schale einer Orange enthält Mikrokapseln, die erst beim Zerbrechen ihren vollen Geruch freisetzen. Bild: CanStockPhoto

Wie gut die Qualität eines Aromas auch sein mag, der Moment, in dem es freigesetzt wird, spielt eine Schlüsselrolle. So soll unser Kaugummi seine Aromen in unserem Mund freisetzen, und nicht etwa schon in der Verpackung! Damit es gelingt, diesen entscheidenden Moment sowie das Anhalten des Aromas im Mund zu kontrollieren, haben die Aroma-Fachleute eine Reihe von Techniken entwickelt, die man unter dem Namen Verkapselung kennt.

Der Begriff Verkapselung lässt sich am Beispiel der Orange erklären. Eine unverletzte Orangenschale riecht nicht besonders stark, sie bewahrt das Aroma. Diese Schale ist jedoch voll von Mikrokapseln, und sobald man sie anschneidet und die Orange schält, werden die Kapseln aufgebrochen und die Frucht setzt ihre Aromen frei.

Für die Verkapselung von Aromen hat man dieses Prinzip abgeschaut: Die Aromamoleküle werden in winzige Partikel aus festem Zucker „eingesperrt“. Diese Kapseln können unter bestimmten Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen bis zu vier Jahre stabil bleiben. Und abhängig von ihrer Zusammensetzung und ihrer Grösse lösen sie sich mehr oder weniger rasch auf, sobald sie mit Wasser in Berührung kommen.

Kombiniert man nun solche Partikel verschiedener Grösse, die verschiedene Geschmacksaromen in sich verkapselt tragen, dann wird vorstellbar, dass unser Kaugummi mit Vanillegeschmack nach fünf Minuten auf einmal nach Erdbeere schmeckt – und schliesslich eine zitronige Note bekommt!

Quelle: Firmenich / Redaktion SimplyScience.ch

Erstellt: 07.10.2016
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