Farben & Klänge

Weiss – die Farbe des Schnees in Physik, Biologie und Kunst

Polarfuchs im weissen Winterfell auf Schneefläche sitzend

Das Winterfell der weissen Variante des Polarfuchses enthält keine Pigmente. Es tarnt ihn perfekt auf Schnee und Eis. Bild: Jonatan Pie auf Unsplash

Eine richtige Winterlandschaft präsentiert sich schneeweiss und glitzernd. Aber warum ist Schnee eigentlich nicht durchsichtig wie Wasser? Warum sehen wir überhaupt die „Farbe“ Weiss, und welches ist das weisseste Material?

Es ist eine interessante Sache mit unserem Sehsinn: Jede und jeder von uns hat eine genaue Vorstellung von einem weissen Blatt Papier oder einem schwarzen Auto. Aber wenn man mehrere Blätter Papier nebeneinander legt, erscheint eines davon plötzlich „weisser“ als das andere. Und haben ein schwarzes Auto, das schwarze T-Shirt und das Fell einer schwarzen Katze wirklich genau dieselbe Farbe?

Weiss – eine Mischung aller sichtbaren Wellenlängen

Farbe und Helligkeit sind Sinneseindrücke, die von unseren Augen wahrgenommen und im Gehirn interpretiert werden. Verantwortlich für die Wahrnehmung sind die Sehsinneszellen in unserer Netzhaut. Die sogenannten Stäbchen sind besonders lichtempfindlich, unterscheiden aber keine Farbreize. Die drei verschiedenen Zapfentypen reagieren jeweils auf unterschiedliche Wellenlängen des Lichts, den Rot-, Grün- und Blau-Bereich des Spektrums. Das Gemisch aller drei Wellentypen, zum Beispiel ungefiltertes Sonnenlicht, aktiviert alle Sehsinneszellen gleichermassen. Wir interpretieren das als weisses Licht. Es ist der hellste Farbreiz, den wir wahrnehmen. Als schwarz nehmen wir einen Gegenstand wahr, wenn er keinerlei Licht aussendet oder reflektiert, also sozusagen alle Strahlen „verschluckt“ und damit keinen Reiz auf unserer Netzhaut auslöst.

Ein Effekt der Reflexion

Materialien, durch die Lichtstrahlen ungehindert hindurchgehen können, erscheinen uns durchsichtig – zum Beispiel Wasser. Warum ist nun aber Schnee weiss? Das liegt daran, dass er aus Millionen von gefrorenen Kristallen besteht, die zwar alle für sich genommen durchsichtig sind. Doch ein Teil des Lichts wird auch reflektiert, und da die Kristalle zufällig verteilt übereinander liegen und ihre Flächen das Licht in alle Richtungen zurückwerfen, erscheint uns eine Schneedecke undurchsichtig und strahlend weiss. Eis hingegen kann trüb und weisslich sein oder auch durchsichtig, je nachdem, unter welchen Bedingungen das Wasser gefroren ist und wie das Eis aufgebaut ist: Eis mit sehr regelmässiger Struktur ist transparent; wenn es jedoch Staubteilchen und feinste Luftbläschen enthält oder aufgeraut ist, erscheint es milchig.

Optische Täuschungen

Illustration: Schwarzes Gitter auf weissem Grund

Siehst du an den Kreuzungspunkten dieses Gitters auch weisse Punkte, die es gar nicht gibt? Wenn du genau hinschaust, sind sie wieder verschwunden … Es gibt zahlreiche Studien, in denen der optische Eindruck solcher Gitter-Illusionen untersucht wird. Man möchte dadurch besser verstehen, wie die menschlichen Sehzellen auf Formen und Helligkeitsunterschiede reagieren. Bild: Wikimedia Commons

Bei unserer Wahrnehmung von Farbe und Helligkeit spielt jedoch nicht nur die Physik der Lichtwellen eine Rolle, sondern auch die Interpretation des Sinneseindrucks im Gehirn. Du kennst sicher eine Menge Bilder mit optischen Täuschungen, die uns verwirren und Dinge zu zeigen scheinen, die gar nicht sein können! Das liegt daran, dass unser Gehirn viele zusätzliche Faktoren in die Wahrnehmung einbezieht: das Licht in der Umgebung, angrenzende Farben, und nicht zuletzt unsere Erfahrung, wie sich die Dinge normalerweise in der Natur darstellen. Manche Eindrücke sind von unseren Sehsinneszellen auch einfach schwer voneinander zu unterscheiden oder verlangen grosse Konzentration. Die zahllosen Streifen einer Zebraherde machen es auf den ersten Blick schwierig, einzelne Tiere zu unterscheiden – und man spekuliert, dass das auch für Raubtiere so ist. So wäre es für sie schwieriger, gezielt ein Tier abzusondern und anzugreifen.

„Ultra-Weiss“ in der Natur …

Makroaufnahme: Vorderteil eines weissen Käfers auf dunklem Grund

Der Panzer dieses Käfers der Gattung Cyphochilus ist weisser als die meisten künstlich erzeugten weissen Farben. Bild: Andy parnell/Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Das weisseste Weiss im Tierreich scheint übrigens ein ostasiatischer Käfer „erfunden“ zu haben. Er nutzt dazu das Prinzip der Lichtstreuung in alle Richtungen: An den winzigen Chitinschuppen auf seinem Panzer wird das Licht ähnlich reflektiert wie in einer Schneedecke. Seine Farbe ist also eine Strukturfarbe, erzeugt durch die Anordnung der reflektierenden Moleküle in der farbgebenden Schicht. Der Käfer lebt auf weissen Pilzen, auf denen er durch diese Färbung sehr gut getarnt ist. Für den Menschen ist diese Chitinstruktur höchst interessant; vor einigen Jahren hat es ein Forschungsteam von den Universitäten Aalto und Cambridge geschafft, hauchdünne und hochgradig weisse Membranen aus Zellulosefasern mit einer ähnlichen Struktur zu herzustellen – und das ohne die üblichen weissen Pigmente wie Titandioxid oder Zinkoxid.

… und in der Technik

Weisse Pigmente kennt der Mensch schon seit Tausenden von Jahren, zum Beispiel das hochgiftige Bleiweiss, das bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts in der Malerei verwendet wurde. Das zurzeit weisseste künstlich erzeugte Weiss wurde 2021 von US-Forschern vorgestellt und enthält als Hauptinhaltsstoff Bariumsulfat. Es ist eine coole Sache im wahrsten Sinne des Wortes: Als Wandfarbe eingesetzt reflektiert es mehr als 98% des Sonnenlichts und soll damit einen Kühl-Effekt erzielen, der denjenigen einer Klimaanlage noch übertrifft!

Schnee in den Augen des Künstlers

Türkis, blau, lila, rosa: Ernst Ludwig Kirchner hat für diese Landschaft eine ganze Palette von Farben verwendet, und trotzdem erkennt unser Auge ganz klar, dass hier Schnee dargestellt wurde, und zwar im Dämmer- oder Mondlicht. Achte einmal bewusst darauf, welche Schattierungen Schnee in der Natur bei verschiedenen Lichtverhältnissen annehmen kann!

Expressionistisches Ölgemälde einer Schneelandschaft

„Winterlandschaft im Mondlicht“ von Ernst Ludwig Kirchner. Bild: Wikimedia Commons

Erstellt: 16.02.2023
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