Zellen & Moleküle

Wozu braucht man Organoide in der Forschung?

Hand in Gummihandschuh mit Petrischale, die eine stilisierte Abbildung einer Lunge enthält, vor blauem Hintergrund

So wie in dieser künstlerischen Darstellung wird eine Mini-Lunge im Labor wohl nie aussehen; aber was ihre Funktionsweise betrifft, sollen die Mini-Organe dem jeweiligen echten Organ künftig immer ähnlicher werden. Bild: CanStockPhoto

Organoide sind Mini-Organe, die im Labor aus Stammzellen gezüchtet werden. Sie besitzen ähnliche Eigenschaften wie das abzubildende Organ und finden immer grössere Verbreitung in der Grundlagen- und Medikamentenforschung.

Die Geschichte der Organoide nahm ihren Anfang vor über 100 Jahren, als Forscher erste Versuche mit Zellen aus Schwämmen durchführten, um selbstorganisierte Systeme ausserhalb eines Organismus im Labor zu erzeugen. Später nutzte man dafür auch Zellen aus Hühnerembryos und Amphibien.

Welche Organoide gibt es?

Doch erst rund 90 Jahre nach dem ersten Organoid-Versuch schafften es Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, embryonale Stammzellen zu isolieren und über längere Zeit zu kultivieren. Diese Technik revolutionierte das Organoid-Forschungsfeld. Trotzdem sollte es danach noch bis 2009 dauern, bevor die ersten menschlichen Organoide gezüchtet werden konnten. Dabei handelte es sich um Darm-Organoide. Dazu kamen bald schon Magen-, Augen-, Gehirn-, Nieren-, Lungen-, Pankreas- und Prostata-Organoide. Heute gibt es zu nahezu jedem Organ in unserem Körper das passende Mini-Organ aus dem Labor. Aber nicht nur menschliche Organe sind für die Forschung interessant. Neben dem Menschen breitet sich die Organoid-Forschung auch auf Rind, Schwein, Maus, Huhn und Katze aus. Sogar die Giftdrüsen von Schlangen konnten bereits im Labor gezüchtet werden!

Wie man Organoide züchtet, liest du im Artikel Organoide: Mini-Organe aus dem Labor.

Woran wird geforscht?

Weil das Organoid-Forschungsfeld noch relativ jung ist, wird noch sehr intensiv daran geforscht, wie man neue Organoid-Modelle entwickeln oder bereits bestehende Modelle noch ähnlicher dem echten Organ züchten könnte. Dabei versuchen Forscherinnen und Forscher, die Signalmoleküle zu entschlüsseln, die für die Programmierung der Stammzellen notwendig sind, damit diese sich zu den gewünschten Zelltypen entwickeln. Das ist aber gar nicht so einfach, denn im menschlichen Körper gibt es Hunderte verschiedener Zelltypen, die alle auf unterschiedliche Signalmoleküle reagieren und miteinander interagieren müssen, damit ein bestimmtes Organ ausgebildet wird und seine spezifische Funktion erhält. Dennoch gibt es bereits Weiterentwicklungen der bisher bekannten Organoide: die sogenannten Multiorgansysteme. Hier arbeiten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen daran, mehrere verschiedene Organoid-Modelle miteinander zu verbinden, um auf diese Weise ein hochkomplexes System aus verschiedenen Organoiden zu entwickeln. Damit kann man Teile der natürlichen Physiologie von Organismen nachbilden, um besser zu verstehen, wie die verschiedenen Organe miteinander interagieren – zum Beispiel im Menschen.

Wo können Organoide eingesetzt werden?

Organoide sind heutzutage aus der Forschung und Medikamentenentwicklung nicht mehr wegzudenken. Einen wichtigen Anwendungsbereich finden Organoide in den sogenannten Toxizitätstest, wo Medikamente auf ihrer Giftigkeit hin untersucht werden. Derzeit werden dafür oft Versuche an Tieren durchgeführt; man weiss jedoch, dass deren Ergebnisse, nicht immer 1:1 auf den Menschen übertragbar sind. Hier könnten zukünftig menschliche Organoide – insbesondere Multiorgansysteme – genutzt werden, um Tierversuche zu reduzieren und die Aussagekraft der Ergebnisse zu steigern.

Ein weiteres Anwendungsgebiet finden Organoide in der Erforschung von Krankheiten. Gewebeproben von Patienten, die zur Erforschung oft benötigt werden, sind schwer zu erhalten oder gar nicht verfügbar. Organoide können als Ersatz für Gewebeproben dienen, indem sie aus Stammzellen gezüchtet werden, die so genetisch verändert sind, dass sie die zu untersuchende Krankheit nachbilden.

Des Weiteren könnten Organoide künftig in der personalisierten Medizin eingesetzt werden. Jeder Mensch ist einzigartig, und das ist auch seine Reaktion auf verschiedene Medikamente. Forscher und Forscherinnen könnten Organoide aus Zellen von einzelnen Patienten erstellen, um dann daran verschiedenste Medikamente oder Kombinationen von Medikamenten zu testen und so das passendste und wirkungsvollste Medikament für genau diese Person zu finden.

Organoide bilden bereits jetzt ein sehr vielseitig einsetzbares Modell für die Forschung. Dennoch wird weltweit auf Hochtouren daran gearbeitet, bereits bestehende Organoid-Modelle zu optimieren, neue Modelle zu entwickeln und damit weitere Krankheiten darzustellen und Tierversuche für Medikamententests noch weiter zu reduzieren.

Quelle: Marion Horrer und Redaktion SimplyScience.ch

Erstellt: 06.10.2022
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