Eineiige Zwillinge – doch nicht ganz identisch?
Auch im Erbgut eineiiger Zwillinge können sich allerdings Unterschiede manifestieren. Wie kommt es dazu? Zum einen sammeln sich im Verlaufe des Lebens bei jedem Menschen Mutationen an. Das sind Veränderungen in der Basenreihenfolge der DNA, welche eine Auswirkung auf die Proteine haben können, die von den Zellen hergestellt werden. Zum anderen ist nicht nur die Basenreihenfolge unserer DNA wichtig für deren Umsetzung in Proteine: Gene können auch epigenetisch geregelt sein.
Unter „Epigenetik“ versteht man Veränderungen an der DNA, welche die Basenreihenfolge nicht beeinflussen. „Epi“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „darüber“. Epigenetische Merkmale sind also Merkmale, die zusätzlich zu den genetischen Merkmalen (also der DNA-Sequenz) vorkommen. Dazu werden verschiedene chemische Gruppen, wie z. B. Methylgruppen, an die DNA angehängt. Diese beeinflussen, wie die DNA abgelesen wird. Damit hat der Körper ein ausgeklügeltes System erfunden, um als Reaktion auf Umwelteinflüsse bestimmte Gene an- oder abzuschalten, ohne dass die DNA beschädigt oder verändert wird.
Der unsichtbare Zwillingsmarker
Die Epigenetik spielt nun auch eine unerwartete Rolle in der Zwillingsforschung. Eine aktuelle Studie von Forschern aus den Niederlanden beschreibt eine spannende Entdeckung im Erbgut von eineiigen Zwillingen: Sie teilen nicht nur ihre Gene, sondern auch ein spezielles Muster von epigenetischen Veränderungen. Interessanterweise ist dieses Muster bei allen eineiigen Zwillingen dasselbe, auch wenn sie nicht verwandt sind. Es stellt also gewissermassen einen Code dar, der aussagt, wer einen eineiigen Zwilling hat. Der Code setzt sich zusammen aus über 800 Stellen im Erbgut, bei denen entweder eine Methylierung vorhanden ist oder fehlt – und zwar in einer ganz spezifischen Reihenfolge. Obwohl epigenetische Veränderungen sich normalerweise im Verlauf des Lebens verändern, konnten die Forscher zeigen, dass diese zwillingsspezifische Methylierung erhalten bleibt. Zweieiige Zwillinge und andere Geschwister hingegen haben die typischen epigenetischen Veränderungen nicht. Da dieser zwillingsspezifische Code in verschiedenen Geweben des Körpers nachgewiesen werden kann, vermuten die Forscher, dass sich dieser Code sehr früh nach der Befruchtung ausprägt. Was dieses spezielle Methylierungsmuster genau bedeutet, ist aber noch unbekannt.
Dank diesen Erkenntnissen kann man nun im Prinzip bei jedem Menschen feststellen, ob er ursprünglich einen eineiigen Zwilling hatte – auch wenn der Zwillings-Embryo sich gar nie weiterentwickelt hat und bei dieser Schwangerschaft nur ein Kind ausgetragen wurde. Denn längst nicht jede befruchtete Eizelle nistet sich in der Gebärmutter ein und wächst tatsächlich zu einem Baby heran. Wer weiss, vielleicht warst auch du für wenige Stunden oder Tage Teil eines Zwillingspaares …