Zellen & Moleküle

Zwillinge im Brennpunkt der Gen-Forschung

Porträt zweier lachender Mädchen

Eineiige Zwilling stehen schon lange im Fokus der Genforschung. Dank ihnen konnte die Erblichkeit von vielen Merkmalen ermittelt werden. Bild: CanStockPhoto

Schon seit vielen Jahren sind Zwillingspaare für Forscher von grossem Interesse. Insbesondere in der Humangenetik – also der Forschung rund um das menschliche Erbgut – konnten viele Erkenntnisse durch die Analyse von Zwillingen gewonnen werden.

Spricht man von „Zwillingen“, so sind im Volksmund zwei Kinder gemeint, die während der gleichen Schwangerschaft der Mutter herangewachsen sind. Dabei unterscheidet man zwischen eineiigen (monozygotischen) und zweieiigen (dizygotischen) Zwillingen. Eineiige Zwillinge entstehen, wenn die befruchtete Eizelle sich sehr früh in der Entwicklung in zwei Teile teilt und sich beide Hälften zu einem Embryo entwickeln. Solche Zwillinge tragen grundsätzlich dieselben Gene. Zweieiige Zwillinge hingegen entstehen, wenn gleichzeitig zwei verschiedene Eizellen befruchtet werden und aus beiden ein Embryo heranwächst. Solche Zwillinge haben rund 50% ihrer Gene gemeinsam und sind sich nicht ähnlicher als Geschwister, die mehrere Jahre nacheinander geboren werden.

Zwilling ist nicht gleich Zwilling

Genau diese Eigenschaften von Zwillingen machen sie für Forscher so interessant. Dank den eineiigen Zwillingen kann man zwei Individuen vergleichen, die dasselbe genetische Erbmaterial in sich tragen, und so Rückschlüsse ziehen auf die Erblichkeit bestimmter Merkmale: Sind sich eineiige Zwillinge in einem Merkmal ähnlicher als andere Geschwister, so hat das untersuchte Merkmal vermutlich eine hohe Erblichkeit. Andererseits kann man durch Studien an zweieiigen Zwillingen sehen, was für einen Einfluss es hat, wenn sich Geschwister während ihrer Entwicklung die Gebärmutter teilen.

Computergeneriertes Bild eines DNA-Stücks mit Methylgruppen

Forscher aus den Niederlanden haben entdeckt, dass alle eineiigen Zwillinge ein ganz spezielles Methylierungsmuster in ihrer DNA tragen. Bild: Christoph Bock/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Eineiige Zwillinge – doch nicht ganz identisch?

Auch im Erbgut eineiiger Zwillinge können sich allerdings Unterschiede manifestieren. Wie kommt es dazu? Zum einen sammeln sich im Verlaufe des Lebens bei jedem Menschen Mutationen an. Das sind Veränderungen in der Basenreihenfolge der DNA, welche eine Auswirkung auf die Proteine haben können, die von den Zellen hergestellt werden. Zum anderen ist nicht nur die Basenreihenfolge unserer DNA wichtig für deren Umsetzung in Proteine: Gene können auch epigenetisch geregelt sein.

Unter „Epigenetik“ versteht man Veränderungen an der DNA, welche die Basenreihenfolge nicht beeinflussen. „Epi“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „darüber“. Epigenetische Merkmale sind also Merkmale, die zusätzlich zu den genetischen Merkmalen (also der DNA-Sequenz) vorkommen. Dazu werden verschiedene chemische Gruppen, wie z. B. Methylgruppen, an die DNA angehängt. Diese beeinflussen, wie die DNA abgelesen wird. Damit hat der Körper ein ausgeklügeltes System erfunden, um als Reaktion auf Umwelteinflüsse bestimmte Gene an- oder abzuschalten, ohne dass die DNA beschädigt oder verändert wird.

Der unsichtbare Zwillingsmarker

Die Epigenetik spielt nun auch eine unerwartete Rolle in der Zwillingsforschung. Eine aktuelle Studie von Forschern aus den Niederlanden beschreibt eine spannende Entdeckung im Erbgut von eineiigen Zwillingen: Sie teilen nicht nur ihre Gene, sondern auch ein spezielles Muster von epigenetischen Veränderungen. Interessanterweise ist dieses Muster bei allen eineiigen Zwillingen dasselbe, auch wenn sie nicht verwandt sind. Es stellt also gewissermassen einen Code dar, der aussagt, wer einen eineiigen Zwilling hat. Der Code setzt sich zusammen aus über 800 Stellen im Erbgut, bei denen entweder eine Methylierung vorhanden ist oder fehlt – und zwar in einer ganz spezifischen Reihenfolge. Obwohl epigenetische Veränderungen sich normalerweise im Verlauf des Lebens verändern, konnten die Forscher zeigen, dass diese zwillingsspezifische Methylierung erhalten bleibt. Zweieiige Zwillinge und andere Geschwister hingegen haben die typischen epigenetischen Veränderungen nicht. Da dieser zwillingsspezifische Code in verschiedenen Geweben des Körpers nachgewiesen werden kann, vermuten die Forscher, dass sich dieser Code sehr früh nach der Befruchtung ausprägt. Was dieses spezielle Methylierungsmuster genau bedeutet, ist aber noch unbekannt.

Dank diesen Erkenntnissen kann man nun im Prinzip bei jedem Menschen feststellen, ob er ursprünglich einen eineiigen Zwilling hatte – auch wenn der Zwillings-Embryo sich gar nie weiterentwickelt hat und bei dieser Schwangerschaft nur ein Kind ausgetragen wurde. Denn längst nicht jede befruchtete Eizelle nistet sich in der Gebärmutter ein und wächst tatsächlich zu einem Baby heran. Wer weiss, vielleicht warst auch du für wenige Stunden oder Tage Teil eines Zwillingspaares …

Auch bei der NASA – der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde – sind Zwillinge von besonderem Interesse. Im Rahmen der „NASA Twin Study“ wurde untersucht, wie sich ein langer Aufenthalt im All auf den menschlichen Körper auswirkt. Der Astronaut Scott Kelly verbrachte fast ein ganzes Jahr auf der internationalen Raumstation, während sein eineiiger Zwilling Mark auf der Erde zurückblieb. Es zeigte sich, dass Immunsystem und Mikroflora des Verdauungstraktes sich bei einem Aufenthalt im Weltall wenig verändern. Es wurden hingegen eine Verkürzung der Chromosom-Enden und allgemein mehr Schäden am Erbgut durch ionisierende Strahlung bei Scott festgestellt als bei Mark.

Astronaut im Weltall

Literatur:

van Dongen, J., et al.: Identical twins carry a persistent epigenetic signature of early genome programming. Nat Commun, 2021.

Monden, C., et al.: Twin Peaks: more twinning in humans than ever before. Hum Reprod, 2021.

Garrett-Bakelman, F. E., et al.: The NASA Twins Study: A multidimensional analysis of a year-long human spaceflight. Science, 2019.

Erstellt: 09.02.2022
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