Tiere & Pflanzen

Klein, aber oho! Das Bärtierchen

Illustration eines Bärtierchens

Illustration eines Bärtierchens. Bild: CanStockPhoto

Rekorde sind nicht den Grössten und Stärksten vorbehalten: Dieser Artikel ist dem winzigen Bärtierchen gewidmet, das bei all seiner Unscheinbarkeit Weltrekordhalter in der Disziplin „Überleben“ ist.

Wer hätte gedacht, dass sich hinter dem niedlich klingenden Namen „Bärtierchen“ ein Weltrekordhalter verbirgt? Das Bärtierchen ist leicht zu übersehen, wenn man nichts von seiner Existenz weiss, denn es wird selten grösser als einen Millimeter. Trotzdem ist es zu einem Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde gekommen – allerdings nicht wegen seiner Grösse (oder Kleinheit), denn es gibt zahlreiche Lebewesen, die kleiner als einen Millimeter sind. Nein, es ist die einzigartige Anpassungsfähigkeit an verschiedenste Extreme wie Kälte, Trockenheit, Sauerstoffmangel oder hohe Salzgehalte, welche die Bärtierchen so speziell macht.

Lies im Anschluss an diesen Text den Artikel Das Bärtierchen – Strategien eines Überlebenskünstlers, um zu erfahren, was hinter den Superfähigkeiten dieser Tierchen steckt!

Bärtierchen im Lichtmikroskop

Ein Bärtierchen im Lichtmikroskop; rechts unten sieht man den „Rüssel“, ober- und unterhalb des Körpers die Beinchen mit je vier „Krallen“. Bild: Frank Fox (www.mikro-foto.de), via Wikimedia Commons/CC-Lizenz

Eine ganz eigene Tiergruppe

Genau genommen gibt es nicht „das“ Bärtierchen, sondern diese Lebewesen bilden innerhalb des Reichs der Tiere einen eigenen Stamm, dem verschiedene Gattungen und Arten angehören. Nahe verwandt sind die achtbeinigen Bärtierchen mit dem Stamm der Arthropoden, zu denen Insekten, Tausendfüssler und Spinnentiere gehören. Ihr deutscher Name erklärt sich übrigens ganz einfach durch ihr bärenartiges Aussehen unter dem Mikroskop und den tapsigen Gang; auf englisch werden sie auch „water bears“ (Wasserbären) oder „moss piglets“ (Moos-Schweinchen) genannt. Ihr wissenschaftlicher Name lautet Tardigrada und bedeutet soviel wie „langsame Schritte“.

Und wo findet man denn nun diese Bärtierchen? Tatsächlich sind ihre Vertreter auf der ganzen Welt verbreitet. Sie leben sowohl am Grund von Gewässern – sei es im Salz- oder Süsswasser – als auch an Land, wo sie feuchte Stellen wie Mooskissen bevorzugen. Man findet sie in der Kälte der Antarktis und in tropisch heissen Regenwäldern. Bärtierchen leben auch im höchsten Gebirge der Welt, dem Himalaya, und am tiefsten Punkt der Erdoberfläche, dem Marianengraben, 11‘000 Meter unter dem Meeresspiegel. Es scheint, als ob jeder Flecken der Erde von Bärtierchen besiedelt werden könnte.

Polster-Kissenmoos

Bereits ein kleines Fleckchen Moos speichert in den Zwischenräumen zwischen seinen Blättchen Wasser und bietet damit einen idealen Lebensraum für Bärtierchen. Bild: Darkone, Wikimedia Commons/CC-Lizenz

Anatomie der Bärtierchen

Der Körper der Bärtierchen besteht aus vier äusserlich sichtbaren Segmenten, die je ein Beinpaar tragen. Die Haut, welche die Bärtierchen umgibt, wird Cuticula genannt und dient als äusseres Schutzschild gegenüber der Umwelt. Sie besteht hauptsächlich aus Chitin und Glykoproteinen (das sind Proteine, an die Kohlenhydrat-Gruppen gebunden sind). In der Haut können auch Farbstoffe eingelagert sein, welche den Bärtierchen je nach Art ihre typische rote, grüne, gelbe oder lila Farbe verleihen.

Um den Körper und die Gliedmassen zu bewegen, besitzen Bärtierchen ganz feine Längsmuskeln, die aus einer einzigen oder wenigen Muskelzellen bestehen. Die ersten drei Beinpaare können bei Bedarf benutzt werden, um beispielsweise über Sandkörner zu klettern. Das vierte und hinterste Beinpaar wird nicht für die Fortbewegung eingesetzt, sondern zum Festhalten am Untergrund. Nur die wenigsten Bärtierchen bewegen sich aber aktiv und gezielt fort. Stattdessen lassen sie sich hauptsächlich durch Wind- oder Wasserbewegungen treiben. Eine weitere Besonderheit der Bärtierchen ist ausserdem, dass ihnen eigentliche Atmungsorgane fehlen. Stattdessen decken sie ihren Sauerstoffbedarf ganz einfach durch Diffusion über die Haut.

Seerosenblätter

Bärtierchen finden sich im Sediment am Gewässergrund, manchmal aber auch an der Wasseroberfläche auf Seerosen- und ähnlichen Blättern. Bild: CanStockPhoto

Die verschiedenen Arten von Bärtierchen haben ganz unterschiedliche Vorlieben bei der Ernährung. So gibt es räuberische Bärtierchen, die beispielsweise auf Einzeller oder Fadenwürmer Jagd machen, wie auch Allesfresser, die organische Abfälle mitsamt den darauf lebenden Bakterien- und Pilzzellen fressen. Die meisten Bärtierchen jedoch ernähren sich pflanzlich, in der Regel von Algen. Aber wie überall in der Natur heisst es auch für die Bärtierchen „fressen und gefressen werden“. Als natürliche Fressfeinde kommen vor allem Spinnen, Milben, Regenwürmer, aber auch grössere, räuberische Bärtierchenarten in Frage.

Unfreiwillige Mondbewohner

Im April 2019 transportierte die israelische Mondlandefähre Beresheet neben wissenschaftlichen Geräten auch mehrere Tausend getrocknete Bärtierchen ins All. Die Sonde hätte sanft auf dem Mond aufsetzen sollen, zerschellte jedoch nach einem Teilausfall der Datensysteme auf der Mondoberfläche.

Ob die Bärtierchen diese Bruchlandung wohl überstanden haben und bei günstigeren Bedingungen wieder lebensfähig wären?

Mondlandefähre Beresheet

So hätte die Mondlandefähre Beresheet auf dem Mond aufsetzen sollen – doch sie stürzte mitsamt ihrer Fracht kurz vor dem Ziel ab. Bild: Oshratsl, Wikimedia Commons/CC-Lizenz

Erstellt: 20.11.2019
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