Gestein ist normalerweise nicht durchsichtig – aber für manche Analysen möchte man es unter dem Lichtmikroskop betrachten. Dafür präpariert man sogenannte Dünnschliffe. Wie der Name bereits sagt, sind das hauchdünne Gesteinsplättchen, die nur 20–30 μm (also wenige hundertstel Millimeter) dick sind.
Hauchdünne Steinscheibchen
Mit einer solchen Säge werden Steine in feine Scheiben geschnitten. Bild: Dona Eidam/USGS/Wikimedia Commons, CC-Lizenz
Die Gesteinsprobe aus der Natur wird mit Hilfe von einem Meissel oder Spezialbohrer genommen, der einen sogenannten Bohrkern herausschneidet. Diese Probe wird im Labor auf eine Einheitsgrösse zurechtgeschnitten, die meist etwa einen halben Zentimeter dick ist. Der nächste Schritt ist einer der wichtigsten: Das Klötzchen wird mit einem wasserfesten Stift beschriftet, so dass die verschiedenen, ähnlich aussehenden Proben nicht verwechselt werden können! Die unbeschriftete Seite wird dann ganz glatt abgeschliffen. An den meisten geologischen Instituten geschieht dies mit einer Schleifmaschine, manchmal aber auch von Hand.
Ultradünnschliff eines karbonatischen Gesteins. Die schillernden Farben (Interferenzfarben) sind ein Artefakt und stammen vom ungleichmässigen Schleifen. Bild: Tobias1984/Wikimedia Commons, CC-Lizenz
Die geschliffene Seite wird mit einem vollkommen durchsichtigen Klebstoff auf einen Glasträger aufgeklebt. Es dürfen dabei keine Luftblasen eingeschlossen werden, denn der Dünnschliff muss ganz glatt liegen. Wenn schliesslich seine Oberseite ebenfalls abgeschliffen wird, bleibt nur ein mikrometerdünnes, lichtdurchlässiges Gesteinsplättchen übrig, das überall genau gleich dick sein muss. Ansonsten können unter dem Mikroskop nämlich ungewollte Farbeffekte entstehen. Der Glasträger muss natürlich erneut korrekt beschriftet werden.
Geschickt beleuchtet
Dünnschliff-Präparate unter einem Durchlichtmikroskop. Bild: Woudloper/Wikimedia Commons, CC-Lizenz
Die Geologinnen und Geologen im Labor legen nun das Glasplättchen mit dem geschliffenen Gesteinspräparat unter das Mikroskop. Auf dem „Tisch“ des Mikroskops scheint das Licht entweder durch oder auf das Präparat und gelangt durch die Vergrösserungseinrichtungen (Objektiv und Okular) des Mikroskops zum Auge des Betrachters. Es gibt dabei verschiedene Beleuchtungstechniken: Man durchleuchtet das Plättchen von unten oder lässt das Licht darauf reflektieren, und man kann dazu gewöhnliches Weisslicht oder polarisiertes Licht einsetzen. Nicht alle Mineralien lassen sich nämlich mit derselben Beleuchtung identifizieren, weshalb oft mehrere Einstellungen nacheinander angewendet werden müssen.
Mit Lichtgesteinsmikroskopen erreicht man eine hundertfache Vergrösserung, mit der Photomikroskopie können diese vergrösserten Ausschnitte in einem Computerprogramm nochmals vergrössert werden. Mit Rasterelektronenmikroskopen, die allerdings nicht mit Licht, sondern mit einem Elektronenstrahl arbeiten, lassen sich die Präparate 10'000-fach vergrössern.
Bei der Betrachtung solcher Präparate erscheinen die Strukturen im Gestein insbesondere im polarisierten Licht in verschiedenen Farben, die wertvolle Informationen über die enthaltenen Mineralien geben.
Was verrät uns ein Dünnschliff?
Oben: Dünnschliff eines Granat-Glimmer-Schiefers bei linear polarisiertem Licht. Granat erscheint dunkel, Biotit braun-rötlich und Quarz farblos. Bild: Chd/Wikimedia Commons
Unten: Gleicher Dünnschliff unter gekreuzten Polarisatoren. Granat erscheint vollkommen schwarz, Biotit in leuchtenden Farben und Quarz in gräulichen Tönen. Bild: Chd/Wikimedia Commons
Beide: CC-Lizenz
Dünnschliffe sind sozusagen Abbildungen unserer Erde aus der Vorzeit, die Informationen zur Erdgeschichte enthalten. Grundsätzlich lässt sich mit einem Dünnschliff die genaue Zusammensetzung jedes Gesteins bestimmen. Gesteine bestehen nämlich aus verschiedenen Materialien, ähnlich wie sich ein Bauwerk aus LEGO aus verschiedenen LEGO-Steinen zusammensetzt. Struktur, Form und Anordnung der einzelnen Mineralien sagen einiges über das Gestein aus: Ist es leicht spaltbar, ist es weich oder hart, ist es wasserlöslich, schwer oder leicht? Die Anordnung gibt Hinweise darauf, was für Umstände bei der Entstehung des Gesteins und bei einer allfälligen Umformung geherrscht haben und wo es entstanden ist.
Aufgrund ihrer mineralischen Zusammensetzung sowie ihrer Herkunft und Entstehung können ganz grob folgende Typen von Gesteinen unterschieden werden:
- Magmatische Gesteine (Magmatite): geschmolzenes und wieder erstarrtes Gestein
- Sedimentgesteine: in Flüssen, Seen oder auf Gletschern abgelagertes Gestein, das an einem anderen Ort verwittert ist und hier neu zusammengeschichtet wurde
- Metamorphe Gesteine: unter enormem Druck und / oder Temperatureinwirkung umgewandelte Gesteine
Manchmal findet man in einem Dünnschliff sogar winzige Fossilien. Fossilien helfen Wissenschaftlern, die Erdgeschichte zu rekonstruieren. Sie sind oftmals mikroskopisch klein, weshalb uns bei der genauen Bestimmung der Art, des Ortes der Ablagerung und der genauen Schichtung der Sedimente nur ein Dünnschliff weiterhelfen kann. (Mehr über Fossilien erfährst du im Artikel Was erzählen uns Fossilien?.)
Je nach Fundort des Gesteins ist die Entstehungsgeschichte und somit auch die mineralische Zusammensetzung der Probe eine ganz andere. Die Dünnschliff-Mikroskopie erlaubt uns also eine Zeitreise in die Geschichte unseres Planeten!
Ultrafein geschliffene Proben: Nicht nur in der Geologie von Bedeutung
Die Dünnschnitt-Technik hat noch andere Anwendungen als in der Geologie. Neben Gesteinen lassen sich auch andere Proben besser untersuchen, wenn man ganz dünne Schnitte davon herstellt: Man präpariert auf diese Weise Bodenproben aus Ackerland oder Waldboden, Holz, Baumaterialien oder alten Kunstwerken.
So dienen sie Forstwissenschaftlern, Biologinnen, Archäologen, Ingenieurinnen oder Restauratoren bei ihrer Arbeit, für die sie die genaue Beschaffenheit der Materialien kennen müssen. Diese Informationen dienen beispielsweise dazu, Ökosysteme genauer zu beschreiben, Werkstoffe zu verbessern oder feinste Schäden an Materialien festzustellen und zu reparieren.
Willst du verschiedene Dünnschliffe mit all ihren wunderbaren Farben und Formen sehen? Hier gelangst du zur Dünnschliff-Galerie.