Technik & Materialien

Vom Abfallholz zum High-Tech-Material

Schwämme zur Öl-Entfernung in Gewässern

Schwämme aus Nano-Zellulose, die aus Holzfasern gewonnen wurde. Sie können zur Entfernung von Öl aus Gewässern eingesetzt werden (links: bevor der Schwamm das rot eingefärbte Öl absorbiert hat; rechts: mit Öl getränkter Schwamm). Bilder: Empa, Masuku Grinder

Forschende der Empa zerquetschen und mahlen Holzabfälle, um daraus komplett neue Werkstoffe zu gewinnen. Solche nanofibrillierte Holz-Zellulose könnte bald in der Verpackungsindustrie, Medizin und bei Aufräumarbeiten nach Erdöl-Katastrophen zum Einsatz kommen.

Holz gilt als Baustoff für Handfestes, wie Tische, Stühle und Dachlatten. Doch immer mehr löst sich der natürliche Werkstoff von seinem rustikalen Image und mausert sich zum High-Tech-Material in Forschung und Entwicklung. «Holz ist ein absolut faszinierender Leichtbau-Werkstoff, der stabil und funktional optimiert ist», erklärt Tanja Zimmermann. An der Empa in Dübendorf forscht sie seit über zehn Jahren an innovativen holzbasierten Materialien. «Indem wir die Holzstruktur genau studieren, lernen wir viel für unsere Forschung und gewinnen Ideen für neuartige Holz-Materialien.»

Empa-Forschende stellen zum Beispiel aus Altpapier eine Gel-artige Nanozellulose her und suchen nach möglichen Anwendungen. Für die Produktion der Nanozellulose nutzen die Forschenden unter anderem dieses Aufschlussgerät. Bilder: Empa, Masuku Grinder

In Zimmermanns Forschungsgruppe wird Holz nämlich nicht in Form von Balken und Latten verarbeitet, sondern in der Gestalt winziger Fasern. Als Ausgangsstoffe dienen Faserabfälle aus der Papierproduktion, Stroh oder Altpapier. Diese werden im Labor in grossen Aluminiumkübeln in Wasser eingeweicht, zerkleinert und zerquetscht. Anschliessend zermahlen die Forschenden den Zellulosebrei oder pressen ihn mit einer Hochdruckpumpe durch dünne, stark verzweigte Kapillaren. Das Ergebnis: Eine Gel-artige Suspension, bestehend aus Millionen von Zellulosefasern mit einem Durchmesser von zehn bis 100 Nanometern und wenigen Mikrometern Länge.

Zellulose-Verpackungen für Lebensmittel

Diese so genannte nanofibrillierte Zellulose hat eine stark verzweigte chemische Struktur und eine grosse Oberfläche. Zur Freude der Forschenden ist sie dadurch ausgesprochen reaktionsfreudig. Indem sie die Nanozellulose chemisch modifizieren, ändern sich die Eigenschaften des Materials. Zum Beispiel haben Zimmermann und ihr Team die winzigen Fibrillen mit Ton versetzt und daraus ein neues Verpackungsmaterial entwickelt. Die produzierte Folie hält Luftsauerstoff und Wasserdampf zurück, sodass Esswaren und Getränke frisch bleiben. Der grosse Vorteil gegenüber Aluminium- oder Kunststoff-Verpackungen: Die Tonzellulose kann man problemlos verbrennen oder kompostieren, denn die Zellulose-Fibrillen sind biologisch abbaubar.

Dieses "Netz" aus Zellulosefibrillen mit verteilten Tonpartikeln hält Sauerstoff und Wasserdampf zurück. Man kann daraus Folie herstellen, unter der Lebensmittel länger frisch bleiben. Bild: Empa, Masuku Grinder

Auch in der Medizin eröffnet die Nanozellulose neue Möglichkeiten. Gemeinsam mit der EPFL forschen Zimmermanns Wissenschaftler an einem künstlichen Ersatzmaterial für den Gallertkern. Das ist eine Gel-artige Masse in den Bandscheiben unserer Wirbelsäule. Dieser Kern wird durch die starke Beanspruchung im Alter zunehmend abgebaut. Könnte man ihn durch ein passendes Material ersetzen, wäre tausenden von Menschen geholfen. Das an der EPFL entwickelte Hydrogel kam zu Beginn nicht an die mechanischen Eigenschaften des natürlichen Kerns heran. Erst durch Beimischen von Zellulose-Nanofasern konnten die Eigenschaften deutlich verbessert werden. Bereits wurde das neuartige Material patentiert und derzeit wird in Lausanne die Verträglichkeit des Materials in Rinderschwänzen getestet.

Holz gegen Ölkatastrophen

Die neuste, ebenfalls sehr vielversprechende Anwendung von Nanozellulose sind Schwämme zur Öl-Entfernung in Gewässern. Dafür entziehen die Forschenden dem Zellulosefaser-Gel mittels Gefriertrocknung sämtliches Wasser. Zurück bleibt ein trockener, sehr poröser Schwamm. Da sich dieser nun sowohl mit Öl als auch mit Wasser vollsaugen würde, mussten die Fasern zuerst chemisch modifiziert werden. Durch Andocken von sogenanntem Alkoxysilan verliert der Schwamm seine hydrophile, also wasserliebende Eigenschaft und bindet nur noch Öl. In Laborversuchen saugten solche silylierten Schwämme 50 Mal mehr Mineral- und Motorenöl auf als ihr Eigengewicht. Und da der mit Öl gesättigte Schwamm auf dem Wasser aufschwimmt, kann er einfach eingesammelt werden. Ein solches Material könnte nach Kollisionen oder Havarien von grossen Öltankern helfen, das verschmutzte Meer möglichst rasch zu säubern. Bereits hat die Zürcher Seepolizei nach dem magischen Schwamm gefragt. Sie will ihn bei Motorschäden auf dem See einsetzen. Noch ist man an der Empa aber nicht soweit. Um grössere Mengen des Schwammes zu produzieren, sind die Forschenden nun auf die Hilfe eines Industriepartners angewiesen.

Text: SATW / Samuel Schläfli
Quelle: Technoscope 2/14: Rohstoff Holz. Technoscope ist das Technikmagazin der SATW für Jugendliche

Erstellt: 22.08.2014

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